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Kultur: The Kreuzberg Concert

Kai Hoelzner, Galerist in einem Kreuzberger Hochhaus, zeigt Arbeiten von Uwe Schinn

Ein berühmtes Cover: Millionenfach wurde die Schallplatte verkauft, sie begründete den Weltruhm des Jazzpianisten Keith Jarrett. „The Köln Concert" heißt auch die Installation von Uwe Schinn in der Galerie Kai Hoelzner. Für das Plakat krümmte sich der Künstler in die Jarrett-Pose – und ersetzte den im Originalmotiv angeschnittenen Konzertflügel durch eine Flasche Kölsch.

Von der Inspiration zum Suff, vom Genie zum Gammler oder andersherum. Mit ironischem Beiklang holt Uwe Schinn, Jahrgang 1971, den klassischen Geniebegriff, der gerade im Musikbusiness überlebt hat, zurück in die bildende Kunst. Seine Arbeit changiert zwischen Götterglanz und stumpfem Alltag und passt damit trefflich zum Galerieort: Im vergangenen September hat Kai Hoelzner seinen „White Cube“ inmitten der Wohnburg am Kottbusser Tor eröffnet. Inzwischen hat sich die Lichtung im Satellitenschüsselwald als Geheimtipp für Kunstfreunde etabliert, die an „emerging artists“ wie Stephan Gripp, Christina Zück oder Philip Maiwald interessiert sind.

Über Fischgrillstuben und Fahrradleichen am U-Bahn-Geländer schweift der Balkonblick. Wohnen im Regal, Kunstpräsentation als Ausnahmezustand. Schinns Installation sieht zunächst nach klavierlackschwarzem Designermöbel aus. An einer Ständerkonstruktion hängen vier maßstabsverkleinerte Theaterlogen der Kölner Oper. Die Originale wurden in den Fünfzigern von Werner Rip hahn entworfen. Seitlich gesehen wirken die Balkone wie aus dem Lot gekippte Noten oder zum Ball geneigte Golfschläger, von vorne eher wie Schlitten auf Abwärtsfahrt. In der Schwebe bleibt, ob sich die Innenarchitektur vor dem Solisten verneigt oder ihn das Publikum, aus Künstlerperspektive, nicht eher unangenehm bedrängt. Schließlich ist Keith Jarrett, der an jenem Ort sein gefeiertes „Köln Concert" gab, dafür berüchtigt, dass er Auftritte schon wegen hustender Zuhörer unterbricht.

In der Galerie richten sich die Miniatur-Logen auf Uwe Schinn, der auf zwei Fotos die genialischen Gesten des Stars nachahmt, die nun aber in der Fußgängerzone vor dem Opernhaus aufgenommen sind. Draußen vorm Portal mutiert der beseelte Ausdruck plötzlich zum Pennerpsychogramm, bestenfalls zum Krampf eines frierenden Straßenmusikanten. Nicht nur Kleider, auch Orte machen Leute. Jens Hinrichsen

Galerie Kai Hoelzner, Adalbertstraße 96 (Balkon); bis 31. August, Mittwoch bis Freitag von 17-20 Uhr, Samstag 14-18 Uhr.

Jens Hinrichsen

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