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Kultur: "The Minus Man": Engel lachen nicht

Er ist auf zerfließende Weise hübsch. Und blond.

Er ist auf zerfließende Weise hübsch. Und blond. Frauen mögen ihn. Er sieht nicht aus, als ob er jemandem weh tun könnte. Er ist einer, dem man sich anvertraut. Und von dem man nicht glauben mag, dass er auch ein eigenes Leben hat. Er heißt Vann. Er ist eine Projektionsfläche für die Sehnsüchte der anderen. Er zeigt ihnen ihr eigenes Bild. Mit all diesen Eigenschaften: Owen Wilson als Minus Man.

Menschen, die immer lächeln, können einem schnell auf die Nerven gehen. Man möchte ihre lächelnde Einfalt stören. Dieser Film scheint auch immer zu lächeln. Und sein größter Ehrgeiz ist, Vann an Ebenmaß und Unbewegtheit des Ausdrucks zu gleichen. Man könnte auch sagen: an Leere. Kein Lufthauch geht durch diesen Film. Sheryl Crow spielt auch mit, wird aber gleich zu Anfang gemeuchelt. Gift! Wer war das? Vann, der Unschuldige. Vann, der Lächelnde. Ja, wir wissen sehr schnell, dass Vann, der Reine, in Wirklichkeit Vann, das Ungeheuer, ist. Und nun?

Wenn Menschen wie Vann sagen, sie wollen noch einmal ganz neu anfangen, ist das von einer gewissen Bedenklichkeit. Aber nicht mal solche Effekte spielt "The Minus Man" von Hampton Fancher aus. Vielleicht, weil Engel nicht lachen können. Denn das Lachen, die Lust am Unvollkommenen, ist unser luziferisches Erbe. An der (äußeren) Engelhaftigkeit seines Helden aber hält "The Minus Man" entschieden fest. Wir sehen ihn also neu anfangen, in einer kleinen Küstenstadt. Vann findet Unterkunft bei einem Ehepaar in der Krise, auf dessen physische Fortexistenz wir ab sofort keinen Pfennig mehr wetten möchten. Vann findet Arbeit bei der Post, schon weil man Briefträgern so wenig Böses zutraut wie Gärtnern. Und doch - es ist seltsam egal. Das Leere kennt keine Entwicklung. Es geschieht nichts, was wir nicht schon wüssten. Nur die inneren Monologe eines Briefträgers.

"The Minus Man" ist der gar nicht so seltene Fall eines Films, dessen Idee faszinierender ist als seine Ausführung, obwohl diese Idee geradezu zur Versinnlichung drängt. In Ideenform belassen, hätte es ein Traktat über die Natur der Engel werden müssen. Auch Vann wirkt eigentümlich körperlos, als hätte er nur einen Scheinleib. Er ist frei von jeder Begierde, das erfährt auf herb enttäuschende Weise auch Vanns akut gefährdete Freundin auf dem Postamt. Können Engel morden? Vielleicht aus Langeweile, aus Ekel vor der eigenen Vollkommenheit?

Der Film ist, so gesehen, auch eine Art sehr späte Kaspar-Hauser-Rache. Die Menschen brachten Kaspar Hauser um, weil sie das vollkommen Unschuldige, das Reine nicht ertrugen. Jetzt bringt das vollkommen Unschuldige und Reine die Menschen um. Spielstand: 1:1.

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