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Theater: Afro-Dings

Natürlich ist es eine gute Sache, wenn für afrikanische Kinder eine Schule gebaut wird. Aber trotzdem muss man auch über das Käsebrötchen reden, das Flecken auf dem Klemmbrett verursacht. Wir sind so gut: Das Stück „Benefiz“ im Renaissance-Theater.

Wie heißt das Gegenteil von gut? Nicht gut gemeint. Nicht böse. Sondern Benefiz. Eine solche Veranstaltung spielt die zentrale Rolle in dem großartigen Stück der Autorin und Regisseurin Ingrid Lausund, das jetzt am Renaissance-Theater gastierte: „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“. Fünf engagierte Menschen sind zusammengekommen, um Geld für eine Schule in Guinea-Bissau zu sammeln, nun proben sie ihre Spendengala. Es dauert nicht lange, bis aus einer Gruppe mit gemeinsamem Projekt ein Haufen zerstrittener Profilneurotiker wird.

Schon der Auftakt ist ein Festival der verkrampften Fettnäpfchen-Vermeidung. Da diskutiert die Runde, ob man nicht noch eine Freundin mit ins Boot holen sollte, die, na ja Afro-dings ist, Afro-Berlinerin, während man selbst ja deutsch, also weiß-deutsch ist. Vielleicht würde eine Schwarze, pardon ein schwarzer Mensch die Veranstaltung authentischer machen, und sie könnte ja auch ein Lied singen. Ring, ring, Rassismus-Alarm! Am besten gleich in Baströcken, oder wie? Ein hochnotpeinlicher Tanz um die politische Korrektheit, zum Fremdschämen komisch – eine Redfacing-Debatte, quasi.

Ingrid Lausund, die während der Intendanz von Tom Stromberg am Hamburger Schauspielhaus als Dramatikerin der alltäglichen Schieflagen auffiel (zum Beispiel mit dem Stück „Bandscheibenvorfall“), hat den „Benefiz“-Text vor drei Jahren im damals noch existierenden Theater Eigenreich vorgestellt. Aus dieser szenischen Lesung ging eine tourneefähige Produktion hervor, die schon zwischen Eggenfelden und Hamburg lief und nun glücklicherweise den Weg nach Berlin gefunden hat.

Das Stück lebt von der Konfrontation zwischen Theorie und Praxis der barmherzigen Tat. Natürlich ist es eine gute Sache, wenn für afrikanische Kinder eine Schule gebaut wird. Aber trotzdem muss man auch über das Käsebrötchen reden, das Flecken auf dem Klemmbrett verursacht. Und über die Kaffeekasse, in die nie jemand einzahlt. Und darüber, ob es jetzt eigentlich 80 oder acht Millionen Menschen sind, die jährlich an Hunger sterben, wir wollen bei den Zahlen doch bitte genau bleiben.

Ingrid Lausund ist keine Zynikerin. Ihre Figuren sind es auch nicht. Die Autorin schildert aber mit lebensnaher Unerbittlichkeit, wie das banale Miteinander noch die nobelsten Absichten pervertiert. Und dafür hat sie ein bestechendes Ensemble. Die Figuren sind Typen, famos getroffene. Vanessa Stern spielt Eva, eine Radikal-Ethikerin in Trekkingschuhen, die jede Abweichung vom heiligen Ernst „schlimm, ganz schlimm“ findet. Iris Böhm bringt als Christine den Glamour in die Veranstaltung und auch die Kontrollsucht. Bjarne Mädel gibt den christlich bewegten Eckhard, der sich beim Patenkinder-Memory nicht entscheiden kann, Christian Kerepeszki den jovialen Rainer, der einen Vortrag über den Wert von Menschenleben und Cocktails hält. Und Max Landgrebe komplettiert die Runde als Leo, der den Spaß bei all dem nicht zu kurz kommen lassen möchte. Patrick Wildermann

Wieder am 13. Mai, 20 Uhr.

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