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Kultur: Theater: Bauernopfer

"Ich habe den Abel erschlagen - Abel, der freundlich war und ein lieber Bruder zu mir". Ja, so kennen wir ihn, den neidischen Kain, der mit seiner Schuld leben muss: "Kein Tod wird kommen für mich.

"Ich habe den Abel erschlagen - Abel, der freundlich war und ein lieber Bruder zu mir". Ja, so kennen wir ihn, den neidischen Kain, der mit seiner Schuld leben muss: "Kein Tod wird kommen für mich. Ich werde verflucht sein." Aber ist das so einfach? Das Faust-Ensemble zeigt in der Arena Treptow mit "Kain", nach einem Text von Friedrich Koffka, alternative Betrachtungsweisen (am 22. und 29. März, Eichenstr. 4, Karten: 01805 463843). Abel mit seinem Tieropfer wird schließlich von Gott ohne erkennbaren Grund bevorzugt. Bei Koffka geht es jedoch nicht um den Gegensatz Bauer - Hirte, sondern um konträre Persönlichkeitstypen. Kain, der verschlossene, sensible Träumer wird vom Vater geschlagen, weil er nicht ist wie sein Bruder Abel, der Tatmensch. Aber hat es nicht auch etwas Oberflächliches, Rohes, wie Abel mit größter Routine Schafe tötet, achtlos Blumen zertritt, in seiner Leutseligkeit Menschen niemals wirklich wahrnimmt? Interessanter Ansatz, wenn auch die Darbietungsform Geschmackssache ist. Neun Darsteller laufen, springen, sitzen herum und deklamieren Textfetzen, ohne szenische Ausarbeitung oder Bühnenbild. Die Schauspieler, die sonst unter Peter Stein den "Faust" als werkgetreuen Textkoloss geben, dekonstruieren hier in Eigenregie lustvoll ihre Vorlage. Das ist nicht neu und manchmal anstrengend, aber konsequent: Weder Rollen noch Schuld werden klar zugewiesen, denn beide Brüder leiden aneinander. Wer sagt: "Ich kann es nicht tragen, wie du da sitzt, es widert mich über die Maßen", der veranschaulicht ein menschliches Grundproblem: Die Anstrengung, in permanenter Nähe oder Konkurrenz zu leben, einer neben anderen zu sein.

Janine Ludwig

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