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Theater: Bravos statt Buhs für "Ruf des Lebens"

Vor seiner ersten Wiener Inszenierung im Theater in der Josephstadt hatte Franz Xaver Kroetz "Blut, Sperma und Tränen" angekündigt. Doch aus dem erwarteten Skandal wurde nichts.

Wien - Seine Inszenierung des selten gespielten Dramas "Der Ruf des Lebens" von Arthur Schnitzler wurde von dem als konservativ verschrienen Premierenpublikum mit freundlichem Applaus bedacht. Bravos statt Buhs gab es für das engagiert spielende Ensemble, aber auch für Kroetz, der im grauen Zweireiher vor dem Publikum artige Diener machte.

Dabei hatte Kroetz vor der Premiere gestanden, dass er mit dem um 1905 entstanden Stück nicht allzu viel anfangen konnte. "Den 2. Akt fand ich völlig untauglich." Doch umschreiben wollte er das Stück dann auch nicht: "Vielleicht gibt es fünf Sätze, die von mir sind." Während der Arbeit, sagte der 61-Jährige, habe er sich dann in das Stück "verliebt", dessen Handlung der Wiener Dramatiker Schnitzler (1862 bis 1931) in die Mitte des 19. Jahrhunderts verlegt.

"Der Tod ist wieder sehr modern"

Eigentlich müsste der Dreiakter, in dem fast alle Akteure sterben oder lebende Tote sind, "Ruf des Todes heißen", räumt Kroetz ein. Es geht um die Sinnlosigkeit des Krieges, aber auch um gesellschaftliche Normen, in denen die Frauen dieser Zeit gefangen sind. "Ich habe das in einen Satz gefasst: Alle wollen sterben, der Tod ist wieder sehr modern." Die Regie des Münchner Regisseurs bleibt der Vorlage treu. Im ersten Akt schläfert die 26-jährige Marie ihren tyrannischen und vom Tode gezeichneten Vater ein, weil er ihr jede Gelegenheit nimmt, zu leben. Und über allem steht die Todessehnsucht als Zeichen der Zeit: "Es ist nicht das Glück, nach dem ich mich sehne. Hat denn das Leben nicht mehr zu bieten als Glück", fragt Marie.

Im zweiten Akt bricht Schnitzler weitere Tabus. Unmittelbar vor der Schlacht schläft die Frau des Obersten, der "noch nie hat schießen dürfen", mit dem Leutnant, der sich nach dem Tode sehnt, und versucht ihn zur Fahnenflucht zu überreden. Die Zuneigung des Obersten zum Leutnant ist mehr als kameradschaftlich. "Wir müssen alle sterben", klagt der Wachsoldat. "Wir dürfen alle sterben", korrigiert der Leutnant. Am Ende erschießt der Oberst seine Frau. Die beiden Offiziere fallen.

"Höhnisches Gelächter aus dem Weltall"

Im letzten, surrealen Akt versammeln sich schließlich die Überlebenden, beobachtet von den Toten auf der Bühne, um über die Sinnlosigkeit ihres Lebens zu philosophieren. Nur der einfältige Oberförster zeigt Willen zum Weiterleben. Am Ende tanzen die Toten auf der leeren Bühne einen Reigen. Kroetz sagt dazu: "Die Gefühlsvulkane speien alle nur Verzweiflung aus und ein höhnisches Gelächter aus dem Weltall. Es ist ein großes Scheitern und Gott lacht sich halb tot". (Von Christian Fürst, dpa)

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