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Theater: Gold gab ich für gar nichts

Christine Wahl freut sich über Anti-Materialismus im Theater.

Der Trend geht zum Zweitarbeitsverhältnis. Und zwar nicht erst in aktuellen Krisenzeiten, sondern schon seit mehr als 250 Jahren. Bereits 1746 musste zum Beispiel der Service-Angestellte Truffaldino unermüdlich als „Diener zweier Herren“ schuften – jedenfalls in Carlo Goldonis gleichnamiger Komödie.

Dass die Story um den illoyalen Arbeitnehmer für leicht verdauliche Sommertheaterabende geradezu prädestiniert ist, dachten sich auch die Intendantin Nelly Eichhorn und ihr Regie-Kollege Oleg Skivko vom Sommertheater am Alex: Sie haben die Komödie, die heute Abend in der Ruine der Klosterkirche Premiere feiert, gleich bis Ende August angesetzt (bis 29.8. immer Do–So, 20 Uhr). Und damit man dabei nicht etwa ausschließlich an seine eigenen, möglicherweise prekären Arbeitsverhältnisse erinnert wird, fährt Goldoni selbstredend auch jede Menge ergänzenden Gender Trouble und zerstreuenden Verwechslungscharme auf.

Um nur in aller Kürze den Hauptstrang zu skizzieren: Florindo, ein zahlungskräftiger junger Mann aus Turin, hat Federico – den Bruder seiner Geliebten Beatrice – im Duell getötet und musste deshalb nach Venedig fliehen. Beatrice reist ihm, gemeinsam mit ihrem Diener Truffaldino, unter dem Namen ihres toten Bruders in Männerkleidung nach und steigt zufällig im selben Gasthaus wie der Geliebte ab. Keiner ahnt, dass der jeweils andere da ist – und Truffaldino sorgt dafür, dass das auch möglichst lange so bleibt. Unzufrieden mit dem Gehalt, das Beatrice alias Federico ihm zahlt, heuert er so schnell wie möglich zusätzlich bei Florindo an.

Goldoni selbst übrigens konnte sich offenbar just mit dem „Diener zweier Herren“ aus seiner Doppelarbeitsbelastung befreien. 1747 – ein Jahr nach der Uraufführung durch die Truppe Sacchi in Mailand – gab er jedenfalls seinen Erstberuf als Jurist auf und wechselte vollständig zum Theater über.

Erstjob hin, Zweitarbeitsverhältnis her: Jene beneidenswerte Erkenntnis in puncto Maloche und Bezahlung indes, welche die Brüder Grimm ihrem „Hans im Glück“ zugedacht haben, reift nur in den allerwenigsten Arbeitnehmern heran – und schon gar nicht in den schlitzohrigen Truffaldinos. Hans bekommt als Lehrlingssold einen menschenkopfgroßen Batzen Gold, den er – vorerst ein verantwortungsbewusster Unterstützer der Warenzirkulation – gegen ein Pferd eintauscht. Das Pferd tauscht er gegen eine Kuh, das Kuh gegen ein Schwein und immer so weiter, bis er am Ende, bar jeglicher Finanzen und Investitionsmöglichkeiten, „mit leichtem Herzen und frei von aller Last“, zu seiner Mutter heimkehrt. Vielleicht kann das Märchentheater im Varia Vineta in Pankow (Fr 16 Uhr, Sa/So 11 und 16 Uhr) ja Kindern ab drei den Anti-Materialismus schmackhaft machen. Für Truffaldino dagegen wäre das garantiert nichts gewesen.

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