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Kultur: Theater in drei Kontinenten: Heimat ist da, wo mein Flugzeug landet - Max Schumacher auf Achse zwischen New York, Berlin, Seoul

Der Mann hat keine Bremse. Kaum dem ICE aus Köln entstiegen, eilt er zum Gespräch ins Café, da klingelt auch schon das Handy: "Ja, ja ich komme gleich vorbei.

Der Mann hat keine Bremse. Kaum dem ICE aus Köln entstiegen, eilt er zum Gespräch ins Café, da klingelt auch schon das Handy: "Ja, ja ich komme gleich vorbei. Nein, heute Abend hab ich schon was vor, Theater natürlich". Er fährt sich durch die verwuschelten Haare, die wie Antennen in alle Himmelsrichtungen abstehen und sagt: "Ich bin nicht gut im Entspannen". Max Schumacher ist Gründer des "Post Theater New York", dem laut Selbstdefinition, "ersten dezentralen Theater der Welt, das seine geografische Mitte im Cyberspace hat". Damit ist gemeint, dass die Mitglieder von "Post Theater" über die ganze Welt verstreut sind und ihre Projekte im Internet planen. Der Zentralrechner sitzt freilich in Berlin und heißt: Max Schumacher.

Als der heute 26-Jährige mit einem Fulbright-Stipendium an der New York University seinen M.A. machte, hatte er eine Idee: Man müsste ein Theater neuen Typs auf die Beine stellen, ein Posttheater sozusagen. Interkulturell sollte es sein und natürlich multimedial. Also scharte Schumacher Performer und DJs um sich, und es war kein Zufall, dass viele Mitglieder des Teams - "Theater-Gruppe hört sich scheiße an" - Asiaten und Europäer waren. Denn ein Hauptthema von Schumachers Arbeit ist Exil und Heimatlosigkeit. "New York steht für das Gefühl, nirgends zu Hause zu sein", sagt er und stöhnt, "allein in diesem Jahr mache ich sechs verschiedene Produktionen in drei Kontinenten".

Schumachers Werke - meist Ein-Personen-Stücke - tragen Titel wie "x-isle" oder "i-site". Sie sind oft von Filmen inspiriert, und man kann sie in Kirchen, Kellern und auf Hochhäusern in Berlin, New York und Seoul zu sehen. Aber immer in einer dem jeweiligen Ort angepassten Variation des Originalstückes. Womit Schumacher bei seinem Lieblingsthema wäre: dem Remix. "Wir mixen nicht nur verschiedene Medien und Kulturen, sondern auch Realität mit Fiktion. Die Zuschauer können sich nie sicher sein, was ein Performer erfindet und was er an authentischer Erfahrung einbringt."

Das Echo auf Schumachers Produktionen ist stets gespalten. Während die Presse sich über den Mischmasch aus heftiger Musik, Videoprojektion, und sorglosem Zitat erregt, strömen die Zuschauer. "So machen wir genau das Geld, das ich brauche, um die Überseeflüge der Performer zu bezahlen", sagt Schumacher. Stolz ist er auch, weil er seine Stücke zu neunzig Prozent durch Sponsoring finanziert und so gut wie keine öffentlichen Gelder kassiert. Das hat ihm nicht nur Freunde beschert, und als ob es eine Ehre wäre, spricht Schumacher schon von "meinen Feinden, die in gewissen Off-Theatern und im Theaterförderungsfilz sitzen".

Max Schumacher kann sich und seine Arbeit gut verkaufen. Das weiß er. Schon vor vier Jahren, bei einer seiner ersten Produktionen, am "konservativen" Institut für Theaterwissenschaften der HU, nannte er sich "Max Macher". Wenn Journalisten sagen, seine Arbeit sei läppisch, dann haben sie halt keine Ahnung - die Arroganz leistet sich Schumacher. Und fühlt sich vom Erfolg bestätigt: Gerade hat er den Film- und Videopreis der Stadt Köln entgegen genommen, für einen Pseudo-Dokumentarfilm, den die "Boston Consulting Group" bei ihm bestellt hatte. Im Herbst wird er mit einem Stipendium in der renommierten Akadamie Schloss Solitude in Stuttgart einziehen. Außerdem plant er eine Doktorarbeit zum Thema "Performativität des Urbanen". Woher kommt so viel Selbstbewusstsein? Vielleicht aus der Gewissheit, einer der ältesten Kaufmannsfamilien Kölns zu entstammen. "Die Schumachers handeln schon seit Napoleon mit Holz, mein Vater verkauft die Bretter, die die Welt bedeuten." Oder weil Schumacher von anderen jungen Männern des Typs "unwiderstehlich erfolgreich" umgeben ist? Im nächsten Stück von "Post Theater", das im Rahmen des Festivals "und ab die Post 2000" aufgeführt wird, geht es um einem alten Freund Schumachers: den 29-jährigen Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke. Wenn irgendwo auf der Welt ein Mord unaufgeklärt bleibt, dann ruft man Benecke zu Hilfe, der die Maden, Fliegenlarven und Spermaspuren, die man auf und in den Leichen findet analysiert. So berechnet er den genauen Todeszeitpunkt eines Mordopfers.

Weil er seine Wissenschaft anschaulich machen kann, ist Benecke zu einem Liebling der Boulevard-Presse geworden. Das Stück "the real forensic" handelt vom doppelten Blick: dem Beneckes auf die geöffneten Leiber und dem der Medien auf Benecke. Wieder mixt Schumacher wild durcheinander: elektronische Musik mit Wissenschaft und Medienkritik. Für die Rolle des Pathologen konnte er den Hollywood-Darsteller Murat Belcant gewinnen, der in "Saving Private Ryan" und "Eyes Wide Shut" kleine Rollen gespielt hat. Seit drei Stunden redet Max Schumacher jetzt schon voller Begeisterung über seine Arbeit. Ob er vielleicht mal ein Bier trinken wolle? "Danke", lehnt er ab, "ich trinke und rauche nie, dazu habe ich keine Zeit. Das einzige was exzessiv an mir ist, sind meine Stücke. Sagt man zumindest."

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