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Theater: Stiller Horror

Der Dissident und die Stasi: Das Theater 89 zeigt das Stück "Hafthaus" von Ralf-Günter Krolkiewicz - seine eigene Geschichte.

Es beginnt ohne Aufhebens, wie nebenbei, freundlich fast. Aber gerade deshalb ist der zur „Klärung eines Sachverhalts“ von der DDR-Staatssicherheit aus der Wohnung geholte Schauspieler von einem Moment zum anderen nicht mehr er selbst. Er wird aus seinem Leben herausfallen. Fortan gehört er den „Vernehmern“, und die richten ihn so lange zu, bis er sich fügt und streng nach Vorschrift verurteilt werden kann. Aber der Mann, angeklagt wegen öffentlich vorgetragener subversiver Texte, hat eine Freundin, die ihm beisteht – ein Briefwechsel baut die Brücke nach „draußen“. Und er kommt hinter Gitter zu einer Zeit, da die devisenhungrige DDR ihre „Feinde“ gern in die Freiheit verkaufte. Das rettet ihn.

Ralf-Günter Krolkiewicz (1955 – 2008) hat diese Geschichte, es ist seine eigene, in „Hafthaus“ aufgeschrieben. Ein ruhiger Bericht, der das Monströse der widerwärtigen Verfolgung selbstständig Denkender unaufgeregt zur Kenntnis bringt, als böse banale Alltäglichkeit. Um Menschen zu brechen, genügt der Staatsmacht lauernde Biederkeit, die stets im Verborgenen bleibt, unangreifbar. Schacher mit Menschen, Brechen von Individualitäten – ein geschäftsmäßiger Vorgang. Für das Theater 89 in der Torstraße hat Hans-Jochim Frank eine Spielfassung erarbeitet, die einen aufrührend normalen Ton beibehält, Effekte scheut, Leidenschaften nur selten hervorbrechen lässt. Das zwingt zu einer intimen Auseinandersetzung mit dem Ungeheuerlichen. Matthias Zahlbaum spielt den unter Anklage stehenden Schauspieler, grüblerisch, zumeist mit verschränkten Armen am Tisch sitzend. Das ist einer, der sich mit seinen Gedanken martert, nicht begreifen kann, was geschieht. Konzentriert, zurückhaltend wie dieser Nicht-Held fügen sich die anderen Darsteller in die Geschichte, behutsam und verstörend zugleich.

Einem „Leben des Elends und der Widersprüche“ geht das großen Fragen der Zeit verpflichtete kleine Theater auch in einer zweiten neuen Produktion auf den Grund, einer Bearbeitung des Romans „Jugend ohne Gott“, wieder unter Regie von Hans-Joachim Frank. Christoph Funke

Wieder am 3., 10., 17. und 24. April

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