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schaubühne

© M. Horn

Theater: Uncle Sam und Union Jack

Fanta, Folter, Politik: Berlins Schaubühne zeigt eine transatlantische Affäre. Dabei wird den Schauspielern nicht wirklich viel abverlangt.

Anregend wirkt das Buchenfurnier-Hotelzimmer, das Magda Willi in die Schaubühne gebaut hat, in keinerlei Hinsicht. Aber die beiden Insassen, Sam und Paul, haben es sich gemütlich gemacht: Man ist im Stadium familiärer Unterhosenintimität angekommen; die Business-Anzüge hängen im Schrank, der Fernseher läuft, Sam fingert Fanta und Erdnüsse aus der Minibar, und nebenbei werden mit einem Handstreich Zukunftsperspektiven im großen Stil in die Luft gemalt: „Weltraum“, sagt Sam zum Beispiel und rückt seine grauen Boxershorts zurecht, „gehört alles mir“. „Fantastisch“, jubelt Paul mit Glanzaugen und allen weiteren Ingredienzien backfischiger Bewunderung.

Der junge Mann, der seinerseits gern am kleinen schwarzen Schlüpfer nestelt, ist kein Geringerer als Westeuropa. Und hinter dem Boxershorts-Geliebten, für den er „Frau und Kinder verlassen“ hat, verbirgt sich Amerika. So jedenfalls sieht es mit der 69-jährigen Caryl Churchill eine der wichtigsten britischen Gegenwartsdramatikerinnen: Ihr jüngstes Stück „Betrunken genug zu sagen ich liebe dich?“, erzählt das Verhältnis Amerikas und seiner Verbündeten als logischerweise nicht spannungsfreie libidinöse Liaison, wobei im Originaltext Tony Blair neben George W. Bush auf der Bettkante hockt: Hier heißt (Uncle) Sams Geliebter (Union) Jack.

Von Vietnam über Irak bis Guantánamo, von Wahlmanipulationen bis zur Destabilisierung anderer politischer Systeme hat Churchill alles minutiös recherchiert und in ihre 30-seitige Beziehungskiste gesteckt, die letztes Jahr in London zur Uraufführung kam. Und weil ein wesentliches Merkmal des Politiker- wie Beziehungsidioms bekanntlich darin besteht, dass man alles schon tausendmal gehört hat und die Satzanfänge des Gegenübers sich im Kopf von ganz allein vollenden, besteht der Dialog aus lauter abgebrochenen Äußerungen, die sich in den Zuschauerhirnen vervollständigen.

Eine in derartige Metaphern gepresste Sicht auf Amerika und Westeuropa ist eine notwendigerweise eingeschränkte. Zumal der Regisseur der deutschsprachigen Erstaufführung, Benedict Andrews, dafür auch noch ein begrenztes und zudem plakatives stilistisches Repertoire auffährt. Sam (Rafael Stachowiak) gibt mit ausdrücklicher Coolness auf der Stirn den schulmeisterlichen Sugar Daddy mit Belohnungs-, Bestrafungs- und Erdnuss-Fanta-Drogen-Taktik. Paul (Ulrich Hoppe) duckt sich als eifriger, weil eben libidinös verzückter Lehrling abendfüllend brav unter die Knute.

Nur einmal treiben ihn moralische Skrupel zuerst in den Businessanzug und dann aus der Hotelzimmertür. Bis er zurückkommt und sich wieder auszieht, referiert Sam über Foltermethoden. Zwischendurch drückt man sich gern bedeutungsvoll an der Plexiglasscheibe herum, die das Hotelzimmer vom Zuschauerraum trennt, und liegt mal gemeinsam auf dem Bett, mal einsam auf dem Fußboden. Von beiden Schauspielern werden im Verlauf des knapp einstündigen Abends jedenfalls maximal drei Gesichtsausdrücke und Tonlagen abgefordert. Die Wirklichkeit ist komplexer.

Wieder am 11. und 12.12. um 20 Uhr sowie am 20.1.08 um 19 Uhr.

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