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Kultur: Theater-WM 2006

Ein

von Rüdiger Schaper

Jetzt hat die Saison doch schon begonnen – vorzeitig und mit dem Lieblingsspiel der Szene. Es ist: das große Intendantenraten. Bernd Wilms’ Entscheidung, das Deutsche Theater im Sommer 2006 zu verlassen, zeugt von einiger Klugheit. Er kommt Kultursenator Thomas Flierl zuvor, der sich bekanntlich einen neuen Intendanten für das größte hauptstädtische Staatstheater wünscht. Wilms wollte sich nicht mehr dem Gespräch mit Flierl über die zu erwartende Nichtverlängerung seines Vertrags aussetzen. Und hat auch all jene Spekulationen beendet, er könne unter Umständen über 2006 hinaus für eine Übergangszeit noch einmal zur Verfügung stehen.

Und jetzt setzt Wilms – eine kleine Rache – den Senator unter Druck. Heute stellt Flierl sein lange angekündigtes, umfangreiches Papier „Berlin: Perspektiven durch Kultur“ vor. Thesen aber sind geduldig, und Perspektiven gibt es nun mal nicht ohne Personen – ohne Personalpolitik. Denn das weiß Wilms auch: Herausragende Nachfolger für seinen Posten stehen auf dem Flur der Kulturverwaltung nicht unbedingt Schlange. Die großen Theater in Zürich (Matthias Hartmann), in Bochum (Elmar Goerden) und in Hamburg (Friedrich Schirmer) haben kürzlich erst neue Intendanten gefunden, und sonst: ist der Markt der Manager und Macher, der regieführenden Theaterleiter ziemlich leer gefegt. Flierl geht es wie dem Deutschen Fußballbund nach der EM. Rudi Völler gibt auf, und wer um Himmels willen soll nun 2006 die Deutschen zum Weltmeistertitel führen?

Die Ansprüche können gar nicht hoch genug sein. Bescheidenheit und Berliner Theater, das ging noch nie zusammen. Warum auch? Am Maxim Gorki Theater erlebt man dasselbe harte, aber nicht unbedingt unfaire Spiel. Intendant Volker Hesse bekommt gleichfalls keine zweite Chance. Flierl verhandelt bereits mit Armin Petras, der das Gorki sichtbarer, konkurrenzfähiger machen soll. Komische Koinzidenz: Gestern hat das DT seinen Saisonauftakt – eine Inszenierung von Armin Petras – bis auf weiteres verschoben.

Wilms holte das Deutsche Theater aus der Lethargie der Langhoff-Ära heraus. Er holte tonangebende jüngere Regisseure (Thalheimer, Kimmig, Stemann), die am DT merkwürdigerweise nicht ihre besten Inszenierungen schafften. Das DT holte mit Wilms wieder auf. Aber es war in den letzten anderthalb Spielzeiten auch schon Stagnation (und Resignation) zu spüren. Flierl will mehr – ein Deutsches Theater als Spitzenreiter. Wie es in seligen Ostzeiten war. Oder vor hundert Jahren, als ein Wiener Jungregisseur namens Max Reinhardt das Berliner Theater erfunden hat.

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