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Alper Yildiz (links) und Frank Oberhäußer (rechts) haben voneinander gelernt

© Mike Wolff

Theateraufführung Heimathafen: Männer, Manager und Mafiosi

Der Schüler Alper Yildiz und der Theaterpädagoge Frank Oberhäußer lieben die Mafiatrilogie "The Godfather". In ihrem Stück "Die Paten" inszenieren sie eine sehr persönliche Geschichte über Männlichkeit und Macht. Ein Probenbesuch.

Die beiden Deckenlampen leuchten schwach, die zwei Kerle schweigen. Sie lehnen lässig in Bürostühlen, den Rücken zum Zuschauer. Ihre lockigen, langen Haare haben sie zu Dutts gebunden, beide tragen Sweater, Cordhose, Sneaker. An der Wand läuft ein Text, während sich aus elektronischen Klängen langsam die Filmmelodie aus "Der Pate“ aufbaut. Das sind Alper Yildiz und Frank Oberhäußer, steht da. Einer ist 38 Jahre alt, Theaterpädagoge, einer ist 17 und geht auf die Hector- Petersen-Oberschule. Beide sehen gleich aus. Irgendwie abgefuckt.

Sie rücken mit ihren Bürostühlen näher, erzählen wie sie sich kennengelernt haben. Verschiedene Versionen sind im Angebot: auf einem Campingplatz in Sizilien, betrunken in der U-Bahn, nach einem Raubüberfall auf das KaDeWe. Alles Quatsch. Die Wahrheit ist viel simpler, wie so oft an diesem Theaterabend, in dem sich die beiden Männer in spektakuläre Vorstellungen von Macht, Gewalt und Männlichkeit stürzen.

Frank Oberhäußer hat vor zwei Jahren mit seinem Theaterkollektiv Turbo Pascal ein Projekt an Alper Yildiz’ Schule realisiert und Alper, fasziniert von der Welt des Theaters, hat ein Praktikum bei der Gruppe angeschlossen. Vorher waren es immer größere, etwas unorthodoxe Aufführungen, die Turbo Pascal inszenierte. Ein Dutzend Schauspieler auf einer großen Bühne, das Publikum wird eingebunden, es werden Themen bearbeitet, keine Geschichten erzählt.

Männervorstellungen

Jetzt sind es nur die beiden, auf der kleinen Bühne des Heimathafen Neukölln. Es ist ihr erstes, eigenes Stück. „Die Paten“ haben sie es genannt. Der Name klingt. Nicht nur nach Francis Ford Coppolas meisterhafter Mafiatrilogie aus den 70er Jahren, an der sich ihr Stück orientiert, sondern auch nach der Identitätskrise des modernen Mannes. Es klingt nach der Klage von Kolumnisten wie Matthias Matussek, die sich als letzte Männer alten Schlages fühlen, als aussterbende Spezies. Es klingt auch nach dem Männlichkeitsforscher Michael Kimmel, der schon vor Jahren geschrieben hat: Männer heutzutage sind verwirrt darüber, wer oder was sie sind und sein sollen.

Oberhäußer wäre gerne Vito Corleone, erklärt er auf der Bühne, der alte Mafiaboss der Familie Corleone, in den Filmen ikonisch dargestellt von Marlon Brando. Ein gelassener Mann, der über eine immer präsente aber subtile Macht verfügt, der sich um Freunde und Familie kümmert, von allen respektiert wird. Yildiz wäre gerne der Sohn, Michael Corleone. Ein ehrgeiziger Mann, der sich hocharbeitet, in die Fußstapfen seines Vaters tritt.

„Ich glaube, dass diese Rollenbilder heute in der Gesellschaft immer noch eine große Rolle spielen“, sagt Oberhäußer, als die beiden draußen im Foyer sitzen und Bier trinken. Er zitiert eine Studie, die besage, dass selbst Frauen in Führungspositionen sich dem patriarchalen Habitus anpassen, in Mimik und Gestik, dass selbst ihre Stimmen tiefer würden. Alper lacht. Frank mache das oft, Studien zitieren. „Aber Hillary Clinton ist doch dabei, die Wahl in den USA zu gewinnen“, sagt er. „Hat die so eine tiefe Stimme?“ Alper Yildiz identifiziert sich aber auch mit der klassischen Vorstellung des mächtigen Mannes, wie Michael sie im Film verkörpert. „Er kümmert sich um seine Familie. Er versucht, sie aus der Illegalität zu holen. Er übernimmt Verantwortung“, sagt er. Man spürt die Faszination in seiner Stimme, auch den ehrlichen Respekt.

Auf der Bühne weiten die beiden den Raum, weisen sich immer neue Rollen zu und sich selbst zurecht. „Ich glaube, du bist eher Johnny Fontane“, sagt Oberhäußer zu Yildiz. Der Schnulzensänger. „Ich glaube, du bist eher Mama Corleone“, entgegnet der Schüler. Alper singt gefühlvoll für Frank, Frank tanzt wie Mama Corleone auf der Hochzeit. „Das Becken nicht vergessen“, bemerkt Alper.

Begegnung zweier Welten

Es macht Spaß, den beiden beim Spielen zuzusehen. Mit jeder neuen Rolle, die sie ausprobieren, ob albern, ob ernst, kommen neue Fragen hinzu: Wer kann was heute in der Gesellschaft überhaupt sein? Was geben uns unsere Väter und Großväter mit, wie viel von unserer Rolle im Leben können wir selbstbestimmt wählen?

„Ich komme aus einer bayrischen Beamtenfamilie“, sagt Frank Oberhäußer. „Alles Pfarrer und Lehrer. Ein Leben in Sicherheit. Für mich war das nichts“, sagt er. Aber es war die Bedingung, die ihm seine Theaterkarriere ermöglichte. Alper Yildiz kommt aus einer türkischen Einwandererfamilie. Er will aufsteigen, studieren, Manager werden. Sein Großvater sage immer: „Ein richtiger Mann ist einer, der seine Familie ernähren kann.“

Die Filme sind vor allem dazu da, eine Begegnung zu ermöglichen: Zwei Männer, verschiedene Welten, die einander näherkommen. „Wir beide leben in Parallelgesellschaften“, sagt Oberhäußer. Er, Ende 30, verschrobene Kulturszene, Yildiz, kaum volljährig, Schüler. Sie haben sich während der Proben einiges voneinander abgeschaut, sagen sie, und über sich selbst und den anderen gelernt. So hat der Jüngere den Älteren dazu gebracht, strenger mit seinen Schülern zu sein, seine Meinung offensiver zu vertreten – und das hat nichts mit Männerklischees zu tun.

Heimathafen Neukölln, Studio, 5./6.2. u. 12./13.2., 20 Uhr

Giacomo Maihofer

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