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Thriller: Die zweite Chance

Anno Sauls Zeitreise-Thriller "Die Tür" schickt Wiedergänger durch ein Potsdamer Wohnviertel.

Wie eine Zeitreise funktioniert, darüber muss sich ein Romanautor nicht den Kopf zerbrechen. Er kann die technischen Details ignorieren. Im Kino geht das nicht so einfach. Hier muss man konkret zeigen, wie der Körper von einer Dimension in eine andere wechselt. Im Science-Fiction-Bereich wird dazu immerhin pseudowissenschaftlich argumentiert, man sieht es dampfen und flackern, die Körper lösen sich auf und werden an einem anderen Ort zusammengesetzt.

Unbeholfen wirken dagegen Versuche, solche Abenteuer als etwas Alltägliches zu inszenieren. Daran krankte „Die Frau des Zeitreisenden“, der vor ein paar Monaten bei uns anlief, und daran krankt „Die Tür“. Wenn der Maler David Andernach (Mads Mikkelsen) mitten in einer Potsdamer Wohnsiedlung einen Pfad entdeckt, durch den man in die Vergangenheit schreiten kann, wundert man sich. Das Viertel ist dicht besiedelt, die Nachbarn sind neugierig. Warum fallen Davids Ausflüge niemandem auf? Und wie schafft er es, genau zu dem Moment zurückzukehren, den er verändern möchte?

David leidet unter Schuldgefühlen, denn während er seine Ehefrau Maja (Jessica Schwarz) mit einer Frau aus der Nachbarschaft (Heike Makatsch) betrogen hat, ist seine Tochter ertrunken. Indem er in die Vergangenheit zurückkehrt, kann er seiner Tochter das Leben retten. So weit, so schön. Aber er steht auch dem David von damals gegenüber. Einer von ihnen ist überflüssig. Der moralisch geläuterte David tötet den verantwortungslosen und führt dessen Leben weiter. Die Ehefrau merkt nichts, weil ihr Mann genauso aussieht wie bisher. Und zugleich hat er charakterliche Veränderungen durchgemacht.

Regisseur Anno Saul versucht, das Übersinnliche zu ignorieren und die seelischen Konflikte seiner Protagonisten herauszustellen. Manchmal hat man den Eindruck, die gesamte Handlung spiele im Reich der Toten. Der Wahnwitz der Geschichte ist allgegenwärtig, doch der Stoff hätte einen Regisseur gebraucht, der die Absurditäten auf die Spitze treibt. Mit der Zeit stellt sich nämlich heraus, dass das halbe Wohnviertel aus Zeitreisenden besteht, die ihre Vorläufer aus der Vergangenheit umgebracht haben.

Nicht alle hatten so edle Motive wie David. Einige dachten nur an ihren Profit, wollten mit dem Wissen aus der Zukunft an der Börse punkten. Ein Albtraum ist das, oder eine Farce, aber Saul bleibt einer soliden Fernsehästhetik verhaftet, bietet keine auffälligen Schauwerte, zeigt keinen Stilwillen. Das Ergebnis ist reines Schauspielerkino. Heike Makatsch als nymphomane Nachbarin ist so hinreißend hexenhaft, dass man ihr zutraut, sie sei für das ganze Chaos verantwortlich. Thomas Thieme, der wiederholt Stasi-Offiziere verkörpert hat, ist auch hier ein höchst unangenehmer Nachbar.

Der Film ist stark im Detail. Ihm fehlt nur jene Qualität, die man im Englischen „suspension of disbelief“ nennt. Als Zuschauer hört man nie auf, Fragen nach der Logik zu stellen. Der entscheidende Schwachpunkt ist ausgerechnet die Tür.

In zehn Berliner Kinos

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