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Kultur: Tief gestapelt

„Low ganz High?“: Eine Berliner Tagung diskutiert die Vermischung von Hoch- und Popkultur

Was darf als Kunst gelten und was nicht? Eine Frage, die sich stellt, wenn man etwa vor Andy Warhols „Brillo Soap Pad Box“ steht oder mit konkreter Poesie konfrontiert wird. Und was passiert, wenn Geisteswissenschaftler diese Frage anhand aktueller Popliteratur und Poptheater diskutieren? Unter dem Titel „Low ganz High?“ wurde am vergangenen Freitag und Samstag vom Sonderforschungsbereich 626 der FU Berlin unter Leitung von Thomas Wegmann und Norbert Christian Wolf zu einer Tagung ins Berliner Literaturhaus geladen. Vielleicht lag es an der Hitze, vielleicht am hochkomplexen Thema, dass außer den 13 Referenten kaum ein Zuhörer von außerhalb den Weg in die Fasanenstraße gefunden hatte.

„High“ und „Low“, dieses Begriffspaar beschreibt erst einmal einen Gegensatz zwischen traditioneller Hoch- und moderner Populärkultur. Thomas Hecken (Bochum) stellte jedoch gleich zu Beginn fest, dass diese beiden Bestimmungsgrößen heute zunehmend verschwimmen. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sei eine Aufwertung des vorher als alltäglich oder banal Geltendem auszumachen. Das Niedere nach oben, das Hohe nach unten. So könnte die Kunstformel der letzten 40 Jahre lauten. Der kommerzielle Erfolg von Künstlern wie Richard Claydermann oder aktuell David Garrett sind gute Beispiele dafür, wie sich in klassischem Gewand Pop machen lässt. Parallel kann man beobachten, wie auch das Feuilleton verstärkt popkulturelle Themen aufgreift. Die traditionellen Künste wie Theater oder klassische Musik werden mehr und mehr von der Berichterstattung über Populärmusik und BlockbusterFilme verdrängt.

Klar sein muss, dass dieser Umwertungsprozess mit dem Schillerschen Kunstidealismus, das Niedere geläutert empor zu heben, herzlich wenig zu tun hat. Vielmehr gilt, was der Literaturwissenschaftler Eckhard Schumacher über die Schreibstrategien der Popliteratur sagte: Die „Methode Pop“ zeichne sich dadurch aus, Gegenwart zu „Zitieren, Protokollieren, Kopieren, Inventarisieren.“

Das hat zur Folge, dass verstärkt hybride Genres entstehen – klassische Musik wird geremixt und fließt ein in elektronische Musik, Theater vermischt sich mit Film und Videoinstallation, bildende Kunst wird zur multimedialen Collage. Es herrscht eine Atmosphäre des „Everything Goes“. Auch in der Popliteratur gehen verschiedenste literarische Formen und Stile Wahlverwandtschaften ein und bringen neue Sprechweisen hervor.

Das beste Beispiel findet Heinz Drügh (Frankfurt a.M.) in dem Autorphänomen Wolf Haas. Haas' Krimis zeichnen sich durch eine sehr eigene, stark verkürzte Alltagssprache aus, die es schafft, einerseits eine hohe sprachliche Komplexität zu entwickeln, andererseits aber leicht verständlich und oftmals auf profanste Weise witzig zu sein. Sprach- und Milieustudie gehen auf in ekstatischem Lesegenuss. Das Fazit ist schnell deutlich. Von hoher und niederer Kunst kann heute eigentlich nicht mehr die Rede sein. Bleibt die Frage: Welche neuen Parameter sind anzusetzen, um zukünftig über Kunst sprechen und urteilen zu können? Bei aller Anschaulichkeit und Ausführlichkeit der Vorträge wussten die Redner von „Low ganz High?" darauf nur wenig zu sagen.

Florian Zimmer-Amrhein

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