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Kultur: Tim Fischer: Etüdenmeister

Irgendwann musste ja auch er erwachsen werden. Nach allen exzessiven Identitätsfindungs-Maskeraden, mit denen Deutschlands Chanson-Wunderkind im letzten Jahrzehnt die Öffentlichkeit schockierte, ist aus Tim Fischer denn doch noch ein netter junger Mann geworden.

Irgendwann musste ja auch er erwachsen werden. Nach allen exzessiven Identitätsfindungs-Maskeraden, mit denen Deutschlands Chanson-Wunderkind im letzten Jahrzehnt die Öffentlichkeit schockierte, ist aus Tim Fischer denn doch noch ein netter junger Mann geworden. Ganz artig gibt er sich in der Bar jeder Vernunft, trägt erst einen weißen, dann einen schwarzen Anzug und vermutlich auch dazu passende Handys in der Tasche. Als einziger Überrest der Verruchtheit von einst blinken einem nur noch die knallrot geschminkten Lippen entgegen - aber keine Angst, das lässt sich ja schnell wieder abwischen.

Dass so einer keine kruden, düsteren Sache mehr singen mag, ist klar. Auch wohl, dass er seine Könnerschaft zeigen will. Mit Klassischem natürlich, den Vernissage- und Pinot-Grigio-kompatiblen Liedern von Österreichs Chanson-Senior Georg Kreisler. 24 Mal Kreisler, das sind bei Fischer 24 virtuose Etüden über Chanson-Kunstferigkeit, über Variationen und perfekt austarierte Tonfall-Varianten. Vom schnarrigen Stimmbiss des "Staatsbeamten" über die Cabaret-Plärrigkeit von "Sex is a wonderful habit" bis zum beinahe tonlos ermüdeten Sprech-Minimalismus des "Witz". Alles gleich brillant beherrscht und mit eleganter Instrumentalpolitur von Geige und Klavier versiegelt. Sein Herz allerdings behält Fischer bei alledem für sich. Das lernt man so beim Erwachsenwerden.

Jörg Königsdorf

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