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Timber Timbre mit Taylor Kirk (rechts oben).

© Promo

Timber Timbre live in Berlin: Dämonenträume

Timber Timbre gaben im Berliner Astra ein feines Kammerpop-Konzert zwischen Düsternis und Laszivität.

Von Oliver Bilger

Ein Songtext ist eine eigensinnige Sache. Wie ein Sänger ihn im Studio interpretiert und wie er ihn später auf der Bühne singt, muss nicht unbedingt übereinstimmen. Denn manchmal hat ein Text ein Eigenleben und will vielleicht woandershin, zwischen den Akkorden galoppieren, sich unrhythmisch zum Klavier bewegen, schneller sein als sonst oder sich hinter der tremolierenden Gitarre verstecken.

So geht es Taylor Kirk von Timber Timbre im hoffnungslos stickigen Astra, wo er die älteren Songs seiner kanadischen Band in einem anderen Tempo singt als auf den Alben. Es ist zwar noch der gleiche Text, doch Mitsingen ist unmöglich. Kirk trickst das Publikum ständig aus, singt mal langsamer, mal schneller, mal zieht er den Strophentext in den Refrain hinein. Funktioniert trotzdem. Dunkel ist es da vorne auf der Bühne.

Ein Saxofonist kommt hinzu und es wird lasziv

Die Gesichter von Kirk, dem zweiten Gitarristen Simon Trottoir, Drummer Olivier Fairfield und Mathieu Charbonneau, der in der Ecke Synthies, Keyboards und noch allerlei anderes bedient, bleiben im Schatten. Kirks Auftritt ist dennoch eindrucksvoll: Theatralisch hebt er die Hand, blickt träumerisch in die Ferne und reißt herrisch am Hals seiner Gretsch-Gitarre, als müsse er ein wildes Pferd zügeln. Und dann diese Stimme, auf die man einfach nicht vorbereitet ist, egal wie oft man sie schon auf Platte gehört hat: In den Tiefen ein vibrierender Bass und ein zarter Bariton in der Höhe.

Zur Konzertmitte kommt ein Saxofonist auf die Bühne und gibt alles. Es wird schwül und lasziv, was am neuen Album „Hot Dreams“ liegt. Es ist von den fünf Studioalben der Band das am wenigsten düstere. Kirk hat sich und seine Band darin ein gutes Stück weg vom Folk hin zu psychedelischeren Gefilden geschoben. Gegen Ende spielen Timber Timbre viele alte Stücke, es wird wieder düster. Bei „Demon Host“, einer melancholischen Gespenstergeschichte, zeigt sogar das Publikum, das sich zuvor lieber unterhalten hatte, ein bisschen Begeisterung. „Oh reverend, please, can I chew your ear?/I have become what I most fear/And I know there’s no such thing as ghosts / But I have seen the demon host“, singt Kirk. Hoffentlich treiben diese kanadischen Gespenster noch lange ihr Unwesen.

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