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Möchte die mediale Omnipräsenz Adolf Hitlers hinterfragen und trägt damit zu ihr bei: Timur Vermes.

© AFP

Timur Vermes und Co: Hitparade mit Hitler

Hitler sells - das merkt man rund um den 80. Jahrestag der Machtübernahme durch die Nazis wieder besonders. Die mediale Präsenz, auch im Tagesspiegel, ist beträchtlich. Sie zu hinterfragen, wie es der Bestsellerautor Timur Vermes versucht, trägt allerdings nur weiter zu ihr bei. Eine Ergänzung

Es war in den späten achtziger Jahren, noch vor dem Mauerfall, als ein politisch sensibler Mitschüler von mir seine Federtasche mit dem Sprüchlein zierte: „Hitler’s in the charts again!“ Das sollte man als Warnung verstehen, das hatte auch etwas Martin-Kippenberger-haftes. Der Befund aber hat ein Vierteljahrhundert später noch seine Richtigkeit. Hitler ist Dauergast in unseren Charts. Und das natürlich erst recht, wenn wie dieser Tage aus Jubiläumsgründen wieder einmal an seine Machtübernahme erinnert werden muss.

Also können wir uns auf vielen Zeitungstitelseiten seines Anblicks nicht erwehren, und also produziert auch der „Spiegel“ eine Titelgeschichte. Allerdings kommt das Cover des Hamburger Magazins der Abwechslung halber ohne Hitlers Konterfei (oder das einer seiner Vertrauten und Generäle) aus, sondern ziert die Abbildung einer Brillantuhr, die Hitler 1939 Eva Braun geschenkt hat. Heute lagert diese Uhr im Depot der Pinakothek der Moderne in München – und der „Spiegel“ beklag, dass die Bundesrepublik bis heute nicht angemessen umgehen könne „mit dem schmutzigen Erbe – ein moralisches Desaster“.

Doch braucht es keine Jubiläen, um mit Hitler Auflagen und Quoten zu erzielen. Vor drei Jahren hat zum Beispiel Helge Schneider dem durch Deutschland reisenden New Yorker Journalisten, Essayisten und Dramatiker Tuvia Tenenbom erzählt, dass in den Nachrichten hierzulande neben dem Nahostkonflikt nur von einem dauernd die Rede sei: „Hitler kann man jeden Tag im Fernsehen sehen, wenn nicht bei diesem Sender, dann bei jenem.“ Und Tenenbom fand das prompt bestätigt, als er in einem seiner Hotelzimmer einfach mal den Fernseher einschaltete und prompt „eine feine kleine Sendung“ über Adolf Hitler sah: „Man erörtert Hitlers sexuelle Gewohnheiten. Die gelehrten Fernsehköpfe diskutieren Hitlers Beziehung zu seiner Nichte.“

Während Tenenboms polemischer, in Deutschland vor allem überall Antisemiten und Israelkritiker aufspürender Reisebericht bislang eher dezent wahrgenommen wurde, ist ein anderes Buch mit Adolf Hitler als Hauptfigur ein richtiger Knüller: Seit zwei Monaten führt Timur Vermes' Hitler-Satire „Er ist wieder da“ die „Spiegel“-Belletristik-Bestsellerliste an. Darin klopft sich ein Ende August 2011 auf einem brachliegenden Grundstück in Berlin-Mitte wiedererwachter Hitler den Staub von der Uniform, begibt sich in die zynische Medienlandschaft und wird zu einem von Deutschlands Topfernsehunterhaltern.

Lachen über Hitler, so heißt die Devise dieses Buches. Ein Entlastungslachen? Es soll wohl mehr ein Lachen sein, das die Verstopfung der Luftröhre verursacht. Allerdings ermüden die vielen Kalauer hier auf Dauer, sie liegen oft auf dem Niveau, das der Verlag mit dem Verkaufspreis vorgegeben hat: Das Buch kostet ach wie lustige 19,33 Euro. Timur Vermes versucht zwar, die auf Hitler fixierte Medienindustrie vorzuführen, profitiert von dieser Fixierung aber selbst im höchsten Maße.

Er ist wieder da? In the charts again? Adolf Hitler war, möchte man meinen, nie weg gewesen. Und er wird das auf unabsehbare Zeit auch nicht sein.

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