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Kultur: TOD

Das Bild hat etwas Monströses. Im Lapidarium des Alten Garnisonsfriedhofs ist zwischen Spolien und alten Grabsteinen ein Pferdekadaver aufgebockt.

Das Bild hat etwas Monströses. Im Lapidarium des Alten Garnisonsfriedhofs ist zwischen Spolien und alten Grabsteinen ein Pferdekadaver aufgebockt. Aus Tierhäuten zusammengenäht und mit Polstern aufgefüllt, wirkt der massige Körper auf unheimliche Art animiert. Die Kunst der 1964 in Gent geborenen Berlinde De Bruyckere besteht darin, die Verfremdung so zu dosieren, dass das Ganze entlang einer dünnen Linie zwischen Realismus und Groteske einem dramatischen Höhepunkt zusteuert. Der Eindruck, hier sei eine Totenklage auf bizarre Weise handgreifliches Material geworden, ist fast so real wie der Schauer, der dem Betrachter über den Rücken läuft.

Flüchtiger Existenz Dauer zu verleihen – dieser Wunsch springt einen auch aus den faszinierenden fotografischen Selbstinszenierungen der früh verstorbenen Kanadierin Francesca Woodman an. Jedes dieser Bilder in der ehemaligen Jüdischen Mädchenschule sagt: Sie ist da, und gleichzeitig auch nicht, denn sie bricht gerade zu einem anderen Ort auf. Wohin die Fahrt gehen könnte, beantwortet der Belgier Kris Martin: Unablässig klacken die Buchstaben auf der Anzeigetafel in der St. Johannes-Evangelist-Kirche, immer wieder neue Destinationen werden aufgerufen. Bloß: Die Buchstabenplättchen sind leer. Die Reise führt ins Nirgendwo.

Ulrich Clewing

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