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Kultur: Töpfe verpflanzen

Perfekte Bühne: Die Bildhauerin Isa Genzken bespielt den Berliner Schinkel-Pavillon.

Die Bildhauerin Isa Genzken lebt in Berlin und liebt New York. Ein Beweis dafür ist ihre aktuelle Ausstellung „Hallelujah“ im Schinkel-Pavillon. Hier wachsen beide Städte zusammen. Ein Fotodruck vom Fernsehturm lehnt an der Wand, daneben türmen sich Transportkisten übereinander. Der Stapel erinnert an die gestaffelte Kuben-Architektur des New Museum of Contemporary Art in New York, für das die Bildhauerin einen überdimensionalen Fassadenschmuck erdacht hat. Noch bis Ende Juli wächst eine langstielige, achteinhalb Meter hohe Rose aus dem Gebäude.

Auch auf den Vorsprüngen der Berliner Kistenauftürmung hat sie Pflanzen abgestellt, Topfpflanzen. So, als hätte sie sie gerade erst aus den Holzboxen herausgeholt und begonnen, den Ort für sich zu erobern. Ein schönes Bild: Schließlich nimmt jede bildhauerische Arbeit einen Raum ein. Und so pendelt Isa Genzken wie so oft zwischen Bildhauerei und Architektur, zwischen klarem Design und Formbewusstsein sowie Alltagskram. Auch ihre anderen hier präsentierten Arbeiten, Skulpturen und Collagen bestehen aus einem wilden Materialmix, aus Plastik und Pop, Hochglanz und Patina, Industrieprodukt und individueller Verfremdung. Die Mischung entspricht wahrscheinlich ziemlich genau dem, was uns alle tagtäglich umgibt.

Den klassischen Sockel integriert die Künstlerin in ihre Arbeit, er ist Teil einer austarierten Komposition, zwischen Chaos und Klarheit, Popkultur und Kubismus. Auf leeren, gelb oder rot lackierten Holzkisten lässt Genzken Designerstühle aus leuchtendem Kunststoff auf schmalen Kanten und Ecken balancieren, sie scheinen sich gen Decke zu strecken. Spielzeugfigürchen, Helden aus Plastik, lugen zwischen den Auftürmungen hervor. So, als habe gerade ein Kind mit ihnen gespielt, sie lebendig werden lassen und dann alle fein säuberlich aufgereiht. Vielleicht ist auch Genzken selbst die große Regisseurin ihres eigenen Skulpturentheaters. In der Mitte des Raumes steht ein Regiestuhl.

Geboren 1948 im schleswig-holsteinischen Bad Oldesloe, gehört Isa Genzken heute zu den bedeutendsten Bildhauerinnen ihrer Generation, spätestens seit sie auf der Biennale in Venedig 2007 den deutschen Pavillon gestaltete und die umstrittene Fassade des Nazibaus mit einem orangefarbenen Baustellennetz umhüllte. 2009 zeigte das Museum Ludwig in Köln die erste Retrospektive. In der Schau „Hallelujah“ nun, kuratiert von Nicolaus Schafhausen, warten zwar keine Überraschungen, dafür erscheint das Werk der zweiten Frau des Malers Gerhard Richter in neuem Licht. Denn der Ausstellungsort ist perfekt. Es kann keinen besseren für eine wie Genzken geben, die immer wieder mit geometrischen Grundformen spielt und die Moderne zitiert.

Der Bau, 1968 vom Architekten Richard Paulick als Erweiterung des Kronprinzenpalais geplant, ist eine Mischung aus klassischen und modernen Elementen. Er hat einen achteckigen Grundriss und durchgehende Fensterfronten. So gibt er den Blick auf die Berliner Mitte frei, von der die Stadtplaner immer noch keine Ahnung haben, was einmal aus ihr werden soll. Man kann auf die Friedrichwerdersche Kirche blicken, auf die ehemalige Schinkel-Bauakademie und den Berliner Dom. Den Fernsehturm verdoppelt Genzken. Die architektonisch zusammengewürfelte Umgebung antwortet auf die Kunst. Und umgekehrt. Anna Pataczek

„Hallelujah“ Schinkel-Pavillon, Oberwallstr. 1, Do-So 12-18 Uhr, bis 11. März.

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