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Tom Jones bei seinem Konzert in der Zitadelle Spandau - mit royalblauem Sakko.

© Davids / Guenter Peters

Tom Jones in der Zitadelle Spandau: Oh yeah!

Sonne, Sommer, Bratwurstduft - und Tom Jones. In der Zitadelle Spandau gab der 75-jährige ein hinreißendes Konzert. Berauschend, lässig und: sexy.

Ein sonniger Sommerabend in der Zitadelle. Unter knallblauem Himmel, über den regelmäßige Flugzeuge brummen, verweht der enge Harmoniegesang des angenehmen Country-Folk-Vorgruppenduos The Shires mit moderater Lautstärke in der Weite der Zuhörerreihen, milder Luft und Bratwurstduft. Fast beiläufig kommen kurz nach acht ein Drummer und zwei Gitarristen auf die Bühne mit einem knackig akzentuierten Blues-Riff zum Entrée von Tom Jones.

Kaum erscheint der kürzlich 75 gewordene Sänger auf dem Podium – weiß und kurzgelockt mit grauem Oberlippenkinnbart und einer Jacke, so königsblau, dass sie dem Fundus früherer BVG-Uniformen stammen könnte. Kaum steht er am Mikrofon und hat den ersten Ton gesungen, wogt eine Spannungswelle durchs Publikum, die alle aus den Sitzen spült. Dabei hatte man doch extra bestuhlt, aus Rücksicht auf das überwiegend reifere Alter der Tom-Jones-Fans. Pustekuchen. Alle stehen und tanzen, wogen und wabern, und werden sich die nächsten zwei Stunden auch nicht mehr hinsetzen.

Berauschend, lässig, tief: Tom Jones

Eine angemessene Reaktion. Auf das, was ist, auf das, was noch kommt. „Burning Hell“ – Tom Jones gibt dem leichteren Boogie von John Lee Hooker eine stark wurzelige Blues-Note. Die Bühne füllt sich mit weiteren Musikern: Bass, Piano, Orgel, Saxophon, Trompete, mächtiges Sousaphon. „Mama Told Me Not To Come“ von Randy Newman groovt sich lässig ein. „Didn’t It Rain“ beginnt mit einer lockeren Gitarrenfigur à la T. Rex und wird zu einer dynamischen Gospelnummer. „Don’t Knock“ rockt und rollt gewaltig zu einem rasanten Chuck-Berry-Gitarrensolo.

Zu einer exquisiten Songauswahl entwickelt sich die feine Dramaturgie eines magischen Konzertes, durchgehend sicher getragen von der fantastischen Soulstimme des fabelhaften Tom Jones, die mit berauschendem Phrasing, lässigem Timing und tiefem Ausdruck alles beherrscht an musikalischer Wurzeligkeit: Blues, Country, Soul, Rock’n’Roll, Gospel, Funk, Jazz. Mit tiefem Gefühl, das alles ausdrücken kann: Den Blues, die angegriffene Seele im Klassiker „St. James Infirmary“ oder der herzerweichenden Schnulze „I Never Fall In Love Again“ von Lonnie Donegan. Aber auch lässig rhythmische Fröhlichkeit und Lebenslust im alten Jug-Band-Song „Raise A Ruckus Tonight“ von Gus Cannon. Mit schiffshupendem Tuba-Solo.

Alles schwingt wunderbar jazzig

Nicht hoch genug kann man es dem charmanten walisischen Sänger anrechnen, dass er alle Coverversionen zu seinen ganz eigenen Songs formt. Herausragend dabei: Leonard Cohens „Tower Of Song“. Und dass er seine alten Hits nicht auf Ewigkeit in Endlosschleife in der Originalversion wiederholt, sondern alles frisch und neu arrangiert hat, und es dadurch besser klingen lässt als je zuvor. Statt des ursprünglichen Techno-Disco- Beats bekommt „Sex Bomb“ jetzt als Intro eine grandios gesungene tiefe Blues-Erdung – dann „one-two-three-four“, Bläser und: es schwingt wunderbar jazzig. „Delilah“ beginnt mit klingelnden Gitarren-Flageoletts des hervorragenden Gitarristen Robbie McIntosh und swingt als munterer Bossa-Nova mit Mariachi-Bläsern und Akkordeon. Auch „It’s Not Unusual“ bekommt einen netten lateinamerikanischen Dreh. Und der pure Country-Sound der ergreifend gesungenen, traurigen Hinrichtungsballade „Green Green Grass Of Home“ ist schlicht umwerfend.

Oh yeah!

Nach jedem Song stößt Tom Jones einen lustigen Juchzer aus oder persifliert Mick Jaggers antwortheischendes „Oh yeah?“ Und man merkt in jeder sparsamen Geste und jedem Ton, dass er enormen Spaß hat an dem, was er da tut. Wenn noch einer eine bewegende Stimme, tiefe Seele, Aufrichtigkeit und wirklichen Stil als ganz großer musikalischer Entertainer besitzt, dann ist es Tom Jones. Hinreißend.

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