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Kultur: Tom Wolfe: Ganz in Weiß

Und sie sind auf seine Tarnung bis heute hereingefallen. Als der Reporter Tom Wolfe Ende der siebziger Jahre in New York eine kleine Berühmtheit war und öfter ins Fernsehen eingeladen wurde, entschied er, von nun an nur noch im cremefarbenen Anzug aufzutreten.

Und sie sind auf seine Tarnung bis heute hereingefallen. Als der Reporter Tom Wolfe Ende der siebziger Jahre in New York eine kleine Berühmtheit war und öfter ins Fernsehen eingeladen wurde, entschied er, von nun an nur noch im cremefarbenen Anzug aufzutreten. "Gib den Leuten etwas zu reden", sagt er heute, da aus dem Reporter ein Schriftsteller mit zwei Bestsellern geworden ist.

Es funktionierte: Wolfe hatte sich eine perfekte Hülle geschaffen, die ihn von den anderen Autoren unterschied. "Ich hatte den Medien da draußen genug gegeben", sagt er. Die nannten ihn von nun an Dandy mit dem Anzug und ließen ihn und sein Privatleben in Ruhe.

Er konzentrierte sich weiter auf das Thema seines Lebens: Die Realität Amerikas. Damit hatte seine Karriere als Journalist begonnen: "The Kandy-Kolored Tangerine-Flake Streamline-Baby", eine 50-Seiten-Reportage über eine Autoshow, abgedruckt im Magazin "Esquire", gilt als Geburtstunde des new journalism. Wolfe hatte sich mit Ausrufezeichen mitten im Satz, mit beliebiger Groß- und Kleinschreibung über die Sprachgrenzen hinweggesetzt - und traf damit die Aufbruchsstimmung der sechziger Jahre.

Seiner Gabe, präzis zu beobachten und Szenen so detailliert zu beschreiben wie kein anderer amerikanischer Autor seiner Generation, hat Tom Wolfe auch seine zweite Karriere zu verdanken. 1987 veröffentlichte er den Roman "Fegefeuer der Eitelkeiten", eine brillante Analyse der New Yorker Gesellschaft in den achtziger Jahren.

Elf lange Jahre mussten seine Leser warten, dann erschien "Ein ganzer Kerl", in den USA wieder ein Millionen-Seller. Einige Konkurrenten wie Norman Mailer oder John Updike beschimpfen Wolfe seitdem, er schreibe nur gute Unterhaltung, keine Literatur. Und man ahnt doch, dass sie ein wenig neidisch waren, als nicht sie, sondern Wolfe (wie immer im Anzug) vom "Time"-Magazine mit einem Titelbild geadelt wurde: "Er schreibt wieder." Das Logo der Zeitschrift war zum ersten Mal in ihrer Geschichte nicht in rot sondern in weiß gedruckt. Wolfes Farbe: Der alte Trick hatte wieder funktioniert.

Einige seiner Essays sind gerade im Blessing Verlag unter dem Titel "Hooking up" erschienen, darunter ein böses Porträt der Zeitschrift "New Yorker" und eine Abrechnung mit seinen Gegnern Updike, Mailer und John Irving. Er nennt sie kurzerhand my three stooges, was in etwa "meine drei Stichwortgeber" heißt.

Die Lust an Provokation und an hemmungsloser Angeberei hat Tom Wolfe bis heute nicht verloren. Sein letzter Roman "Ein ganzer Kerl" sollte eigentlich, schreibt er, nur ein einziges Thema haben: "die Welt." Zur Zeit, so ist aus New York zu hören, arbeitet er an seinem nächsten Buch. Heute feiert Tom Wolfe Geburtstag. Oder wie hätte er in den sechziger Jahre geschrieben: WOW!!! BABY: 70! S I E B Z I G! Alive and KICKING!

Christoph Amend

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