zum Hauptinhalt

Kultur: Tomate auf Taille

Er war ein Meister seines Faches - und doch starb er 1950 in Vergessenheit: William Budzinskis Ruhm fiel der Schnellebigkeit seines Gewerbes zum Opfer.Der Kostümbildner für "Varieté und Revue" - so der Titel einer Ausstellung in der Kunstbibliothek, die sich erstmals seines Werkes annimmt - feierte seine Erfolge im ersten Drittel dieses Jahrhunderts, als Bühnenschneider in Programmheften noch nicht erwähnt wurden.

Er war ein Meister seines Faches - und doch starb er 1950 in Vergessenheit: William Budzinskis Ruhm fiel der Schnellebigkeit seines Gewerbes zum Opfer.Der Kostümbildner für "Varieté und Revue" - so der Titel einer Ausstellung in der Kunstbibliothek, die sich erstmals seines Werkes annimmt - feierte seine Erfolge im ersten Drittel dieses Jahrhunderts, als Bühnenschneider in Programmheften noch nicht erwähnt wurden.

Rund 120 Entwurfzeichnungen zeigen, wie Budzinski einen eigenen Stil prägte, ohne den Zeitgeist zu ignorieren.Die Sterotypen umspielte er mit liebevoller Ironie.So reduzierte er in seinem Entwurf des "Übergirls" den Typus der Tänzerin auf das wesentliche: blonde Locken, mintfarbenes Röckchen und - statt der Arme - zwei Beine extra.Die "Treulose Tomate" steckte er wortwörtlich in das rote Gemüse.Und beiseiner "Chinesin Gauklerin" zitierte er mit Schirm und aufgesteckter Frisur noch Fernost-Klischees, um diese mit in den Haarnadeln aufgespießten, typisch deutschen Nahrungsmitteln Brötchen und Wurst gleich wieder zu karikieren.

So bizarr bisweilen seine Entwürfe waren, so konventionell war der Lebenslauf des 1875 in Berlin geborenen Budzinski.Nach einer Tätigkeit als Kostümbildner für Berliner Opernhäuser übernahm er 1912 die "Luxus-Werkstätten Pruschinski".In Nachbarschaft zu Bühnen wie dem Wintergarten und Apollo-Theater konnte Budzinski schnell expandieren."Für die Sterne des Varietés", darunter die Artisten Saharet, La belle Otéro und die Lilliputanerrevue "Die Schäfers", entwarf er exklusive Kostüme, aber auch Privatkleider.Doch so schnell der Stern von Budzinski gestiegen war, so schnell erlosch er wieder.Die Weltwirtschaftskrise zwang ihn 1932, sein Atelier aufzugeben.

Die Retrospektive zeigt Budzinski auch als Sammler von Accessoires und Kostümen: zwei Dutzend Objekte sind zu sehen, darunter auch die Taille eines Kleides, die die Zeitlosigkeit guter Mode beweist: mit dem saftigen Lila und kessen Schnitt könnte "frau" sogar heute noch im Techno-Club die Blicke auf sich ziehen.

Kunstbibliothek, bis 2.Mai, Di-Fr 10-18 Uhr, Sa und So 11-18 Uhr; Katalog mit 132 Seiten und 50 Farbabbildungen 28 DM.

ANDREAS KRIEGER

Zur Startseite