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Kultur: Tomaten mit Tarnkappe

Markus Popp gilt mit seinem Projekt Oval als Pionier der elektronischen Musik. Gerade ist sein neues Album erschienen. Ein Hausbesuch.

„Das war jetzt echt lang, oder?“, sagt Markus Popp nach anderthalb Stunden Interview. Anderthalb Stunden, in denen auch eine Rolle gespielt haben: Seine norwegische Waldkatze, seine große, aufgeräumte Wohnung in Wilmersdorf, seine Leidenschaft für Computerspiele, sein Publizistik-Studium an der FU, sein Unvermögen als „Selfpromoter“. Nebenthemen, denn am ausführlichsten spricht Markus Popp über Musik. Über seine Musik, die man mit gutem Gewissen als experimentell und elektronisch bezeichnen kann, auch wenn er selbst sagt, dass er weder experimentelle noch elektronische Musik mag. „Bis vor kurzem wäre ich nicht auf meine eigenen Konzerte gegangen, ich komme auch nicht von der elektronischen Musik, weder als Macher noch als Hörer“, sagt der 43-Jährige. Ein Satz wie eine Bombe, zumindest wenn man weiß, dass die Musik von Markus Popps Projekt Oval einmal als etwas Wichtiges, Richtungsweisendes, Neues verstanden wurde: „Videogames waren meine Leidenschaft. Musik ist einfach so passiert.“

20 Jahre ist es jetzt her, dass Oval auf der Bildfläche auftauchte, zuerst noch als Drei-Mann-Projekt, ab Mitte der Neunziger dann mit Popp als einzigem Mitglied. Man verzichtete auf Instrumente, bearbeitete CDs mit Filzstiften, um sie zum Ruckeln und Stottern und Springen zu bringen. Die so gewonnenen Sounds legten Oval mehrfach übereinander, schufen Rhythmen und einen orchestralen, unerhörten Sound. Pionierarbeit und aus der Sicht von Markus Popp ein „einziges Sich-Raushalten – bloß keine Musik mit großem ‚M’“. Oval nahmen damit vorweg, was in den folgenden Jahren Standard in der elektronischen Musik werden sollte: das teils radikale Verfremden gesampelter Sounds, das Einbauen von Störgeräuschen, Kratzern, Rauschen. Oval zimmerten neue musikalische Schubladen, die später als „Glitch“ und „Clicks & Cuts“ etikettiert werden sollten.

Danach war erst einmal Sendepause, Markus Popp ließ neun Jahre lang nichts von sich hören. Erst 2010 erschien wieder ein Album von ihm, „O“. Von der Atmosphäre her typisch Oval, instrumentale elektronische Musik, der man nicht anhört, wie sie erzeugt wurde: War das eine Gitarrensaite, immer und immer wieder angeschlagen, nur eben sehr verfremdet? Oder doch ein Computereffekt, der gleichzeitig organisch und künstlich klingt? Popp hat seine Herangehensweise an das Musikmachen komplett geändert. Bemalte CDs, das war vorgestern, jetzt arbeitet er, wie fast alle Produzenten elektronischer Musik von Dubstep bis Techno, am Computer. Doch verblüfft musste er feststellen: „Egal welches Equipment ich mir hinstelle: Es bleibe ja doch ich! Das ist beruhigend und limitierend.“

„DNA“ heißt die kürzlich erschienene neue Platte von Markus Popp. Auch sie beweist, dass Oval nur Oval kann. Denn es finden sich nicht nur neue Stücke darauf, sondern auch ältere. Auseinanderzuhalten ist das beim Hören nicht.

Markus Popp mag es kompliziert. Er weiß um den „bei allen Interviewpartnern gefürchteten programmatischen und theoretischen Überbau“. Und er füttert einen mit Informationspuzzlestückchen, die nicht zueinander passen wollen: Anfang der Neunziger etwa, als in Berlin gerade Techno explodierte, ging er in Wilmersdorf „triumphierend um 21 Uhr ins Bett“, weil er mit all dem nichts zu tun haben wollte. Die Ironie dabei: Oval hat auch für den Minimal Techno, der Berlin in den nuller Jahren in aller Welt auf die Club-Landkarte hievte, wichtige Impulse geliefert. Markus Popp bewundert Metalcore-Bands und ihren brachialen Sound, sieht sich aber selbst als eine Art „Ein-Mann-Jazztrio aus dem Laptop heraus“. Und noch ein paar Widersprüche, die ihm wahrscheinlich gar nicht als solche erscheinen: Seine Musik sei eine Art „Diskursbeitrag“, aber keine experimentelle Musik, sondern in Popkategorien erdacht worden: „Ein Track dauert drei Minuten. Ich habe nie 45-Minuten-Stücke gemacht.“

Gesang sucht man in seiner Musik vergeblich. Das liegt auch daran, dass Oval, bei allem Respekt, der dem Projekt entgegengebracht wird, nicht gut mit der restlichen Musikwelt vernetzt ist: „Ich könnte jetzt nicht einfach schnell einen Schlagzeuger oder eine Sängerin anrufen und sagen: Komm, ich habe da ein Studio gemietet. Ich habe als Musiker einfach nicht so viel anzubieten. Und Radiohead für Realschüler wollte ich auch nicht machen.“

Spannend dürfte sein, wie Popp seinen neuen Ansatz auf der Bühne umsetzt. Wie er also dort den Gegensatz zwischen wirklichen und virtuellen Instrumenten aufheben kann, wie sich reale und programmierte Sounds verschmelzen lassen, ohne zu „Radiohead für Realschüler“ zu werden – oder zum Tim Raue der elektronischen Musik. „Wenn ich ein Koch wäre, dann eine Art Fusion-Koch“, sagt Markus Popp: „Meine Musik ist wie ein Tomatensalat, bei dem die Tomaten was ganz anderes sind und nur wie Tomaten aussehen. Aber das sage ich nur, weil ich gefragt werde. Die Musik soll man einfach nur hören können, ohne was darüber zu wissen.“

Damit wäre man schon beim Oval-Grundsatz, der auch auf der Bühne gilt, nämlich dass der „maximale emotionale Gehalt“ enthalten sein soll. Mit großer Show hat das nichts zu tun: Popp reiht seine Stücke ohne Bruch aneinander, damit nicht die von ihm so gefürchtete Stille dazwischen eintreten kann. Normalerweise spielt er nach seinem letzten offiziellen Stück sofort einen harten Song der von ihm so verehrten Metalcore-Bands ein, um auch am Ende keine Verlegenheit aufkommen zu lassen.

Oval wurde mal in die Ambient-Ecke gestellt, als eine Art akademisch-intellektuelle Gegenbewegung zur Techno-Explosion. Dann gab es Auftritte mit den Noiserockern von Sonic Youth, Touren mit Indie-Rock-Bands. Inzwischen sieht man Markus Popp als Laptop-Artist, der gleichzeitig seine eigene Session-Live-Band ist. Er selbst bezeichnet sich als „künstlerischer Leiter des eigenen Systems, der erst jetzt musikalisch-harmonisch-melodische Themen definieren“ kann. Es fällt der Begriff „Lost-in-Translation-Musik“. Ein Soundtrack für Menschen, denen der Bezug zu Ort und Zeit abhanden kommt, aber trotzdem mit dem Anspruch, ästhetische Gegenwart zu sein: „Aber es ist nicht so, dass ich Dinge verwende oder kann, die kein anderer kann.“ So viel zum Thema Selbst-Promotion.

„DNA“ ist bei Shitkatapult/Alive erschienen. Konzert (im Vorprogramm von Apparat): HAU 2, 20.12., 20 Uhr

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