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Nur die Kellermauern blieben. Blick auf die Freiluftausstellung der „Topographie des Terrors“ an der Niederkirchnerstraße, früher Prinz-Albrecht-Straße. Foto: dpa/Marcel Mettelsiefen

© dpa

Topographie des Terrors: Stadt der Täter

Im Schatten der Mauer: Vor 25 Jahren wurde die „Topographie des Terrors“ zur Dokumentation der NS-Verbrechen gegründet.

Zum 20-Jährigen wurde nicht gefeiert. Da war der Bau des endlich dauerhaften Hauses der Stiftung „Topographie des Terrors“ gerade erst in Angriff genommen worden. Dessen Eröffnung am 6. Mai 2010 war dann das große Ereignis für die zur selbstständigen Stiftung öffentlichen Rechts erhobene Institution.

Endlich am Ziel, das könnte auch als Motto über dem heutigen Mittwoch stehen, an dem das 25-jährige Bestehen des Dokumentations- und Informationszentrums mit einem Festakt gefeiert wird. Sprechen werden unter anderem Ingeborg Berggreen-Merkel, Abteilungsleiterin des Kulturstaatsministers Bernd Neumann (der das Haus schon am Vormittag besucht), Berlins Regierender Bürgermeister und die Vorsitzende des Vereins Aktives Museum, Christine Fischer-Defoy. Keine andere Geschichtseinrichtung der Stadt musste einen derart von Rückschlägen geprägten Weg zurücklegen. Man kann es kaum glauben, angesichts des Stroms der – jährlich über 600000 – Besucher, die durch die Freilichtausstellung entlang der Grundmauern der einstigen Gestapo-Zentrale laufen und dabei die Geschichte des NS-Verbrechen in Grundzügen erfahren. Vor allem viele ausländische Berlin-Besucher machen sich dort mit deutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts vertraut, im Schatten der Mauer, von der hier noch ein Abschnitt steht, in Erinnerung an die Teilung.

Das geht weiter in dem flachen, pavillonartigen Gebäude, das seine Ausmaße versteckt, indem es seine „Funktionsräume“ für die Mitarbeiterbüros und die viel gerühmte Bibliothek im Untergeschoss verbirgt. Kein architektonisches Ausrufezeichen sollte das Gebäude sein, sondern sich zurücknehmen gegenüber der Wucht und Last der Geschichte, die es in seiner Dauerausstellung zu den Ämtern und Tätern des NS-Regimes sowie der Wechselausstellung – derzeit zum einstigen Regierungsviertel in der angrenzenden Wilhelmstraße – zu bewältigen hat.

„Die Dinge kommen aus dem Gleichgewicht, wenn es in der deutschen Hauptstadt zwar ein Jüdisches Museum und ein Holocaust-Mahnmal gibt, aber die Frage nach den Tätern und nach der Gesellschaft, in der diese Taten möglich waren, ausgeklammert wird“, mahnte der Historiker Reinhard Rürup, ohne dessen Einsatz die „Topographie“ kaum zustande gekommen wäre, 2004 im Tagesspiegel. Durch die Querelen um den unbaubaren und vor allem unbezahlbaren Erstentwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor drohte die Institution aus dem Gesichtskreis der Politik zu verschwinden. Erst war der Etat von 38 Millionen Mark, aufzubringen von Bund und Land Berlin, kurzerhand auf Euro umgestellt und real verdoppelt worden. Dann reichte es immer noch nicht, und zugleich ging durch den nie über die Oberkante Keller sowie drei Betonkerne hinausgewachsenen Zumthor-Entwurf viel Geld verloren.

2004 startete man neu, mit einem auf 20 Millionen Euro geschrumpften Budget. Den Wettbewerb gewann diesmal die wenig bekannte Architektin Ursula Wilms – ein Glücksgriff, wie auch der hinzugezogene Landschaftsarchitekt Heinz W. Hallmann. Mittlerweile wusste auch die Institution selber besser, was sie brauchte, „einen undekorierten Schuppen“, wie es Andreas Nachama lässig formulierte. Nachama hatte bereits als Mitarbeiter der Berliner Festspiele Anfang der 80er Jahre die Anfänge der Erinnerung am historischen Ort der Prinz-Albrecht-Straße mitgestaltet, wurde 1987 Leiter der „Dauerausstellung Topographie des Terrors“ und 1994 Direktor der Stiftung.

Bescheiden waren die Anfänge allemal. 1981 gab es eine Hinweistafel, ganz klein neben dem aus seiner Kriegsruinendämmerung erlösten Martin-Gropius -Bau mit der opulenten „Preußen“-Schau. 1987, zur heftig inszenierten 750-Jahr-Feier Berlins, gab es dann eine erste provisorische Ausstellung in den Kellermauern des von der Gestapo annektierten Gebäudes mit der Hausnummer 8, zuvor Kunstbibliothek der Preußischen Museen. 1989 – immer noch vor der Wende – wurde vom Senat die Sachverständigenkommission unter Vorsitz des TU-Historikers Rürup eingerichtet, die das Konzept für eine dauerhafte Einrichtung erarbeitete.

„Durch die Teilung der Stadt war das Gefühl für das Topographische verloren gegangen“, blickt Andreas Nachama, Berliner des Jahrgangs 1951, zurück. Wo konkret geschah das, was man abstrakt über das NS-Regime wusste? Am authentischen Ort ist es seither zu erfahren. Das Stiftungsgesetz sieht den Zweck der „Topographie“ in der „Vermittlung historischer Kenntnisse über den Nationalsozialismus und seine Verbrechen sowie der Anregung zur aktiven Auseinandersetzung mit dieser Geschichte, einschließlich ihrer Folgen nach 1945“. Der Nachsatz ist wichtig, denn die Institution nimmt in einem umfangreichen Programm von Ausstellungen, Lesungen und Diskussionen auch die Nachwirkung und die Rezeption der NS-Geschichte in den Blick. Heute wird sie 25 Jahre alt – und ist doch noch jung, denn mit voller Kraft arbeiten kann sie erst seit zwei Jahren im eigenen Haus. Aus der Geschichtslandschaft Berlins ist die „Topographie des Terrors“ nicht mehr wegzudenken.

Die Feierstunde am heutigen Mittwoch beginnt um 19 Uhr, die Veranstaltung ist öffentlich. Die neue Foyer-Ausstellung „Das Aktive Museum und die ‚Topographie des Terrors’” informiert über die Entstehung der „Topographie“.

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