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Kultur: Torte statt Panzer

Daniel Libeskind soll das Militärhistorische Museum in Dresden radikal umbauen

Peter Struck zeigte sich „von diesem Entwurf begeistert“. Im Rahmen seiner „Sommerreise“ zu Besuch in Dresden, ließ er sich am Donnerstag den Entwurf des in aller Geheimhaltung unter 136 Bewerbern gekürten New Yorker Architekten Daniel Libeskind für den Totalumbau des Militärhistorischen Museums vorführen. Dieser Entwurf sei „kühn und gewagt“ und verschaffe „dem Museum und damit der Bundeswehr Aufmerksamkeit“.

Ein verräterisches Wort! Zunächst sprach der Verteidigungsminister nämlich davon, dass „alle Leistungen und Einrichtungen“, die nicht geeignet seien, „die militärischen Kernfähigkeiten der Bundeswehr zu erhalten und zu verbessern“, „kritisch überprüft“ würden. Doch die anwesenden Offiziere durften aufatmen: Das Militärhistorische Museum, so Struck, halte „konzeptionell, aber auch in seiner geplanten Ausführung jeder noch so kritischen Überprüfung stand“.

Von besonderer Aufmerksamkeit der Dresdner und ihrer Touristen ist das Museum bislang nicht verwöhnt worden. Ostsozialisierte Bürger erinnern sich an das „Armeemuseum der DDR“, vollgestopft mit allerlei martialischem Gerät von NVA und „Bruderarmeen“. Die Bundeswehr übernahm das Erbe 1990, modelte Sammlung und Dauerausstellung einigermaßen um, versucht seither auch, mit Sonderausstellungen wie derzeit zu König Albert von Sachsen von der platten Militaria-Show wegzukommen. Dabei wurde eine grundlegende Neukonzeption nur immer dringlicher – und mit ihr der Umbau des von der DDR auf Konsumladen-Niveau gebrachten Hauses. Seit 1972 verunstalten Anbauten die großartige Renaissanceanlage des 1876 fertiggestellten Sächsischen Arsenals, das aufgrund des Wandels der Kriegstechnik bereits zwanzig Jahre später überflüssig und zur öffentlichen Waffensammlung umgewandelt wurde. Im Triumphbogen des Mittelrisaliten prangten seit 1972 Hammer und Sichel; jetzt erinnert noch eine hässliche Bretterverkleidung an die Eingriffe aus DDR-Zeiten.

Das dreistöckige Gebäude, Mittelpunkt der inzwischen von der Offiziersschule des Heeres genutzten Militäranlagen der Dresdner Albertstadt, steht unter Denkmalschutz. Libeskind aber will einen Keil hineintreiben, der an der Spitze hoch über die Gebäudekante des ohnehin auf einem Plateau thronenden Gebäudes aufragt. Der spitzwinklige Keil stößt durch die Gebäudemitte hindurch und läuft im Hof der Dreiflügelanlage aus.

Als die Grundkonzeption dieser Tage durchsickerte, gab es sofort kritische Stimmen. Durchaus mit Grund: Denn die Idee, ein historisches Gebäude aufzureißen und solcherart – wie es der eigens aus New York herbeigeeilte Libeskind in seinen gewohnt blumigen Ausführungen tut – „Raum zum Nachdenken“ und „grundlegende Neuorientierung“ zu schaffen, ist mittlerweile ein recht alter Hut. Nun setzt ihn sich also die Bundeswehr auf.

Der Keil – ein Markenzeichen des Architekten seit dem Entwurf des Jüdischen Museums Berlin – „bricht mit der Symmetrie des Gebäudes“. Das geschieht dann allerdings auf überraschend subtile Weise. Der sichtbare Teil des Keiles soll nämlich in einer semitransparenten Stahl-Glas-Konstruktion errichtet werden, so dass die dahinter liegende, vollständig zu restaurierende Neorenaissance-Fassade sichtbar bleibt. So kostbar das ehemalige sächsische Arsenal, ironischerweise wie alle Militärbauten der Albertstadt unzerstört über den Bombenkrieg gekommen, gerade für das so furchtbar zugerichtete Dresden auch ist – diesen Eingriff kann es vertragen, ja es braucht ihn womöglich, um den Bruch der künftigen musealen Konzeption mit der vom Königreich Sachsen über Weimarer Republik und Hitlerreich bis zur DDR reichenden, unseligen Tradition der Militärverherrlichung sichtbar zu verkünden.

Die neue Konzeption will die „Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Formen der Gewaltausübung und Gewaltvermeidung“ zum „Leitthema der Ausstellungsgestaltung“, ja zum „unverwechselbaren Signet des gesamten Museums“ machen. Bereits im Eingangsbereich – einem weitläufigen Kreuzgewölbe auf mächtigen Sandsteinpfeilern – werden die „anthropologischen Grundfragen von Gewalt, Angst und Mut, Leben und Sterben“ angesprochen; das Museumskonzept bemüht gar den „Schock im Sinne Walter Benjamins“. In den drei Geschossen des nüchternen, in seinen oberen Etagen von Eisenstützen getragenen Zweckbaus wird parallel zum „chronologischen Rundgang“ durch die Militärgeschichte ein „Themen-Parcours“ zur Vertiefung dieser „zeitlosen und universal menschlichen“ Grundfragen eingerichtet.

Diesem Konzept entsprechen der Entwurf von Libeskind sowie die Vorschläge des für die Ausstellungsgestaltung verpflichteten Büros HGMerz – das die Alte Nationalgalerie Berlin so vorzüglich restauriert hat – auf verblüffende Weise. Der Keil erweist sich im Inneren durchaus nicht als grober. Er lässt vielmehr die Geschosshöhen und die industrielle Struktur des Gebäudes unangetastet, schafft indessen spannende Raumfolgen. Womöglich wird es schwer fallen, die Figur des Keils, die sich auf dem Präsentationsmodell allzu herrisch abzeichnet, innerhalb der 12000 Quadratmeter messenden Ausstellungsfläche überhaupt wahrzunehmen.

Auf den künftigen Besucher wartet die Belohnung zum Schluss: ein Besuch in der hoch aufragenden Spitze des Keils. Dort bringt der Architekt das „Café Dresdenblick“ unter, und er wäre nicht Libeskind, hätte er nicht sogleich eine Blickachse ausgemacht – zur Frauenkirche, deren steinerne Kuppel dieser Tage vom Gerüst befreit wird. 2009, nach fünfjähriger Bauzeit, soll das runderneuerte Militärhistorische Museum fertig sein. Sein „Café Dresdenblick“ gerät symbolisch zum zivilen Ausguck einer Bundeswehr als Friedensarmee: Torte statt Panzer.

35 Millionen Euro soll und darf der Umbau kosten. Für den Etat der Bundeswehr eine kleine Summe, für ihr Selbstverständnis hingegen eine gewichtige Investition.

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