zum Hauptinhalt
Indische Frauen feiern

© NFP

Tragikomödie "7 Göttinnen": Rache und Wut im Partyparadies

Notwehr auf indisch: Pan Nalins Tragikomödie „7 Göttinnen“ propagiert weibliche Wut und Solidarität. Dabei bedient der Film leider genau die Weiblichkeitsmuster, die es aufzulösen gilt.

Aufbegehren, mit der Faust auf den Tisch hauen: Das kann ungemein befreiend sein. In eine knackige Eröffnungssequenz gebracht, führen solche aneinandergeschnittenen Episoden exakt zu der Feel-good-Power, die für einen Freundinnenfilm zwingend ist.

Eine Schauspielerin bekommt von ihrem Regisseur zu hören, dass sie nur ihrer Hüften und Möpse wegen gecastet wurde. Eine Fitnessstudiobesucherin wird von zwei schamlosen Kerlen wie ein Kotelett taxiert. Eine Passantin auf der Straße plump von einen Typen angebaggert. Eine Fotografin verliert einen Auftrag, weil ihr das Model zu magersüchtig ist. Eine Chefin ärgert sich über ihre männlichen Mitarbeiter. Die Karriere einer Musikerin stockt.

Künstlerpech. Alltagssexismus. Doch die Szenen führen nicht nur die Heldinnen und ihre Lebensumstände ein, sondern bringen schlüssig auf den Punkt, wie sich Frausein in Indien anfühlt. Und das ist selbst in der neuen urbanen Mittelklasse so wenig spaßig, dass Joanna, Freida, Suranjana, Mad, Pam, Nargis und Laxmi schnauben vor Wut. Jenseits, aber auch eingedenk der brutalen Exzesse gegen Frauen, die vor vier Jahren, nach der Vergewaltigung und tödlichen Folterung einer Studentin in einem Bus in Neu-Delhi, zu landesweiten Protesten führten.

Nach dem anfänglichen Komödienton kippt das ganze in ein Drama

Die Empörung macht die Frauen zu Schwestern von Kali, der hinduistischen Göttin des Zorns, der Zerstörung und Erneuerung. Die vielarmige Schwertkämpferin ist die mythische Patin der Tragikomödie „7 Göttinnen“ (Originaltitel: „Angry Indian Goddesses“). Mit spirituellen Bezügen kennt der Independent-Regisseur Pan Nalin sich aus. Das hat er mit Dokumentationen über Ayurveda, das Pilgerfest Kumbh Mela oder das buddhistische Mönchsepos „Samsara“ gezeigt.

Diesmal jedoch betätigt er sich nicht als subtiler Vermittler unterschiedlicher Sinnsuchen, sondern als militanter Feminist – auch wenn die erste Hälfte des Films nach dem kraftvollen Auftakt leider bald so harmlos wie eine Mischung aus „Brautalarm“, „My Big Fat Greek Wedding“ und „Mamma Mia“ rüberkommt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Gastgeberin Freida (Sarah-Jane Dias), die Fotografin, lädt ihre Freundinnen zum Junggesellinnenabschied in Vaters Kolonialvilla im tropischen Partyparadies Goa ein. Eine nahende Hochzeit und sechs schöne Frauen: Solch populäres ästhetisches und inhaltliches Setting muss offenbar auch für Nalins Wutfilm her. Dann jedoch kippt der Komödienton, ein Lebensdrama nach dem anderen offenbart sich, inklusive lesbischer Liebe und Selbstmordversuchen. Und als Joanna (Amrit Maghera) eines feuchtfröhlichen Abends am Strand vergewaltigt und ermordet wird, mutiert „7 Göttinnen“ endgültig in eine krudes, noch dazu erzählerisch holpriges Rachedrama.

Es werden Weiblichkeitsmuster bedient, die es aufzulösen gilt

Das ist bitter – zumal Nalins merkwürdiger, aber mutiger Zwitter eigentlich genau die Fragen stellt, mit denen sich die von Kastendenken, Klassenunterschieden und überkommenen patriarchalen Strukturen geprägte moderne indische Gesellschaft dringend auseinandersetzen muss. Und welches Medium eignet sich dazu im filmverrückten, aber von Bollywood-Stereotypen regierten Indien besser als das Kino? Insofern geht es zwar völlig in Ordnung, dass Regisseur Nalin – selbst im Arthaus-Look – mit holzschnittartiger Figurenzeichnung und politisch agitierendem Ton den Holzhammer der Überzeichnung schwingt. Schlimm ist jedoch, dass er mit der Sanktionierung von Selbstjustiz die falsche Antwort auf die richtigen Fragen gibt. Und noch dazu Weiblichkeitsmuster bedient, die er aufzulösen vorgibt. Kali, du Göttliche, zürne.

Babylon Mitte, Cinema Paris, FaF, International, Kulturbrauerei, Yorck;  OmU: Neues Off

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false