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Kultur: Traumtonleiter

Im Kino: Georges Gachots Musikfilm „Maria Bethânia“

Dass Kinos bestuhlt sind: Manchmal stört’s doch. Ja, da kann man doch nicht einfach rumsitzen, ja, da will man doch im Stehen sehen oder liegend sich wiegen oder gleich lostanzen wie der kleine Junge in einer der ersten Einstellungen nachts am Strand, lostanzen in einen Traum von Film. „Maria Bethânia“ heißt er, wie die brasilianische Sängerin, der er in seiner Gänze gewidmet ist, und statt runterzuerzählen wie ein Biopic oder die Kameras machen zu lassen wie in einer Konzertdoku schwingt er sich, manchmal mitten im Lied, vom Auftritt vor Tausenden ins Aufnahmestudio und macht singend einfach weiter, schwingt auch vom Singen ins Sprechen und zurück. Maria Bethânia spricht mit den Händen und singt, wenn sie spricht (dieses wunderbare Brasilianisch), und Caetano Veloso, ihr Bruder, spricht und singt mit den Augen, oder war es Chico Buarque oder Gilbert Gil, all diese Wegbegleiter ihres Lebens, die selber Musik sind, Legenden wie sie. Anfang 60 ist sie, Maria Bethânia, aber die Augen funkeln, als sei sie dem Alter auf der Traumtonleiter davongehüpft, und dann wieder ist da eine Erschöpfung, eine Trauer, die sogar im Samba nistet, dieser scheinbar sonnigsten Musik der Welt. Also: Ihr Gesicht. Ihre Stimme. Ihre Hingabe, wenn sie kinderblickselig der dicken Nana Caymmi zuhört in irgendeinem Konzertvorraum, und plötzlich singt Nana Caymmi acht oder zwölf umwerfend wundertraurige Zeilen drauflos. Oder wie sie zur Aufnahme eines eigenen Lieds ein paar Zeilen mitsingt und ein paar andere nicht, und dann löst sich das Spiel in ein Lächeln auf, ja, da will man doch in diese Leinwand, in diese Musik, ja, da muss man doch in diese Bilder, die sich öffnen nach Rio und Salvador, von der Kinodunkelheit ins Nachtdunkel, in das Dunkel dieser Stimme. Jan Schulz-Ojala

Hackesche Höfe, Neues Kant (OmU)

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