zum Hauptinhalt

Kultur: Trialog: Strategien gegen die Angst

Wenn ich daran denke, worüber wir im Deutschen Bundestag inzwischen Donnerstag auf Donnerstag, also zur besten Debattenzeit, diskutieren müssen, könnte ich zornig werden. Episoden aus Joschka Fischers Lehr- und Wanderjahren, die Frage, worauf wir Deutschen stolz sein können, Jürgen Trittins Sprüche, Kampagne-Plakate der CDU, die Frage, ob der Bundespräsident patriotisch genug ist.

Wenn ich daran denke, worüber wir im Deutschen Bundestag inzwischen Donnerstag auf Donnerstag, also zur besten Debattenzeit, diskutieren müssen, könnte ich zornig werden. Episoden aus Joschka Fischers Lehr- und Wanderjahren, die Frage, worauf wir Deutschen stolz sein können, Jürgen Trittins Sprüche, Kampagne-Plakate der CDU, die Frage, ob der Bundespräsident patriotisch genug ist. Dabei werde ich das sehr unangenehme Gefühl nicht los, dass zur selben Zeit entscheidende politische Weichenstellungen passieren, die zu diskutieren uns die Zeit genommen wird durch solche Firlefanz-Debatten. Das Parlament kann mehr, wenn es sich ernst nimmt. Es muss widerständig werden gegen die Zumutung, den Bundestagswahlkampf schon zwei Jahre vorher zu beginnen.

Wenn ich nach den un- oder wenig diskutierten Fragen suche, entspringt das nicht einem apokalyptischen oder Weltuntergangsgefühl. Es ist der Wunsch, zu erkennen und mit anderen abzuklären, was sie sehen und begreifen von dem, was sich zur Zeit weltweit verändert und die Unsicherheit in den traditionellen Politik-Konzepten bewirkt.

Da ist mir ein Satz von Wolfgang Schäuble aufgefallen: "Der Friede bleibt gleichwohl gefährdet. Die Bedrohungen sind derzeit vielleicht weniger massiv, aber dafür vielfältiger und unberechenbarer." Und dann spricht er von "Bedrohungen, die sich aus Fundamentalismus nähren und zu terroristischen Mitteln greifen." Ganz ähnlich habe ich einmal Madeleine Albright und den früheren US-Verteidigungsminister Cohen reden hören. Es geht also um ein unklares Bewusstsein der Bedrohung, für das sich die Stichworte Fundamentalismus und Terrorismus einstellen.

Ich sehe auch, dass die heutigen Gesellschaften (insbesondere die westlichen) ein Gefühl des Bedrohtseins und der Unsicherheit haben. Ich glaube aber, dass gerade dagegen das Arbeiten an einem System der militärischen Unverwundbarkeit nicht wirklich taugt. Es kann ja schon logisch nicht stimmen, denn terroristische Akte finden in der Regel ungeplant im Inneren der Gesellschaften statt. Der Fundamentalismus wiederum ist vorrangig eine geistige Bedrohung von Toleranz und Liberalität. Sein Schlachtfeld findet in den Köpfen und in abgeschotteten kulturellen Milieus statt.

Was also hilft gegen die Angst? Was den Islam betrifft - und der ist ja in der Regel gemeint, wenn von drohendem Fundamentalismus die Rede ist - so müssten wir uns wohl bald eine offensive Strategie anderer Art überlegen. Was in den islamischen Staaten heute passiert, bis zur Bilderstürmerei in Afghanistan, kennen wir aus dem Europa zur Zeit der großen Religionskriege. Auch damals gab es heilige Kriege, zum Märtyrium bereite Gotteskrieger, und in heiligste Erregung versetzte Volksmassen, bereit, sich gegenseitig zu massakrieren. Ganz Europa ist fast daran zu Grunde gegangen.

Die Lösung war damals die systematische Trennung von Kirche und Staat, von Politik und Religion. Das war genau genommen der Anfang der Gewaltenteilung, der Institutionenlehre und der Trennung der Ämter und Aufgaben im öffentlichen Raum. Es war also der Beginn der Moderne. Mir scheint, es wäre ertragreicher, die Staaten, deren Entwicklung uns beängstigt, in einen solchen Dialog über Institutionen und die Trennung der Gewalten zu verwickeln, als sie mit hypermoralisierenden Wertekampagnen oder allzu angstgeleiteten neuen Militärsystemen zu konfrontieren.

Antje Vollmer ist Vizepräsidentin des B, est

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false