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Kultur: Tristan ohne Tristesse

Wagner-Hasser werden ihn mögen, den heiteren Liebestod auf der Berliner Museumsinsel

Von Peter Laudenbach

Wer „Tristan und Isolde“ bisher für eine romantische Oper, für eine Feier der nur im Tod Erfüllung findenden Liebe gehalten hat, konnte vor den Stufen des Alten Museums auf der Museumsinsel eine neue „Tristan“-Entdeckung machen. Bunte Gestalten stürmen über die Freitreppe des Schinkelbaus, rufen durch Trichter ins Publikum, klettern an den martialischen Reiterstatuen entlang und wirken so gar nicht tragisch und düster. Nicht Richard Wagners in Entrückung und Sehnen schwelgende Musik, sondern ein robustes Schlagwerk und eine eher grell als subtil lärmende Trompete begleitet den Aufzug der Narren - nicht ohne spöttisch das Trompetensignal aus dem Walkürenritt zu zitieren.

Hier geht es nicht darum „in Sehnsucht zu verschmachten“, um mit Richard Wagner zu sprechen, sondern um ganz diesseitige Abenteuer und einen plebejisch bodenständigen Blick auf den pathosgetränkten Stoff. Liebe wird gerne mit Fleischeslust übersetzt, Tragik in Komik verwandelt und der Konflikt zwischen Lehnspflicht und Herzensregung als formvollendet vollzogene Ehebruchsnummer gedeutet. Astrid Griesbach hat mit ihrem Theater des Lachens „Tristan und Isolde“ auf der Museumsinsel als gut gelauntes Open Air Spektakel inszeniert, als ein Spiel mit Volkstheater-Elementen voller charmantem Unsinn und poetisch eindrücklichen Bildern. Nicht Wagners Oper ist der Rohstoff, der hier verarbeitet wird, sondern Gottfried von Strassburgs mittelalterliches Versopus, das auch dem Komponisten als Vorlage diente. Was Wagner zugunsten der seelischen Konflikte, der Liebesseufzer und Herzensergießungen sorgfältig ausspart, rückt hier ins Zentrum: Die Vorgeschichte der Liebesbegegnung, die äußeren Aktionen, Tristans Reisen, Abenteuer und Heldentaten. Griesbachs Figuren, in asiatisch anmutenden, grell gemusterten Kostümen, bedienen sich mit fröhlichem Eklektizismus bei den unterschiedlichsten Theater- und Showformen - von Anleihen bei hochformalisiertem japanischen Theater über höfische Rituale und Tänze bis zu einer Travestie auf die schauspielerischen Gestaltungsmittel von Fernseh-Dauerwerbesendungen. Griesbachs Figuren sind Narren, einerseits. Dann springen sie über die Treppe, kommentieren das Geschehen mit überzogenen Posen und denken nicht daran, irgend etwas ernst zu nehmen. Andererseits sind sie Liebende, Kämpfende, Abenteuerlustige. Dann tragen sie anstelle ihrer Köpfe große, zweidimensionale Masken mit riesigen Gesichtern, die aufs Anmutigste wackeln, wenn sie einander in Liebe oder Fehde begegnen. Mit knappen, präzise eingesetzten Mitteln gelingt es den Maskenspielern, ihre Figuren zu charakterisieren. Isoldes Mutter (Agnes Lampkin) eine alte Frau, bewegt sich mühsam an Krücken voran. Isolde, ein junges Mädchen, spreizt aufgeregt die Beine unter ihrem Reifrock, als Tristan sich naht. Tristan, der forsche Held, verwandelt den Kampf mit dem Drachen in ein Slapstick-Duell mit einem schwarzen Gummischlauch. Das Spiel mit den Masken erlaubt es der Regisseurin, innerhalb des bunten Spektakels Momente zarter Zuneigung einzubauen - wie überhaupt die ganze Inszenierung mit ihrem Übermut von musikalischer Leichtigkeit lebt, bei aller Drastik fein gearbeitet ist und ohne Anleihen beim Trash auskommt. Wagner-Hasser werden diese Aufführung mögen, weil sie das Pathos charmant entsorgt, Wagner-Liebhaber werden die lustvolle Umdeutung des Stoffes genießen und Wagner-Ignoranten können sich einfach so amüsieren.

Bis 11. August, jeweils 21 Uhr, vor dem Alten Museum.

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