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Kultur: Trommeln in der Nacht

Blood Red Shoes im Postbahnhof.

Von Jörg Wunder

Einige der besten Rockbands der letzten Jahre sind Duos: The White Stripes. The Kills. The Black Keys. Und Blood Red Shoes aus dem britischen Seebad Brighton: Weil sie ein paar Jahre später dran waren, mussten sie sich Vergleiche mit den White Stripes gefallen lassen – sie hatten deren Konstellation (Gitarrist und Schlagzeugerin hier, Gitarristin und Schlagzeuger dort) gewissermaßen gespiegelt.

Musikalisch ist das weit hergeholt. Wo sich Jack White wie ein Trüffelschwein in den Urschlamm der amerikanischen Popmusik eingräbt, konzentrieren sich die Briten auf die Wiederbelebung eines schroffen Gitarrenrocksounds. Der hatte Ende der Achtziger mit Bands wie den Pixies oder Sonic Youth seine beste Zeit, ehe er zum übergewichtigen Stadionrock mutierte. Vom Stadion sind die Blood Red Shoes noch weit entfernt, aber es reicht, um über 1000 Leute in den ausverkauften Postbahnhof zu ihrem, wie Steven Ansell begeistert betont, „biggest gig in Berlin“ zu locken.

Ansell ist ein derwischartig trommelndes, zwischen den Songs munter drauflos sprudelndes Energiebündel. Sein mickriges Schlagzeugset hat er vorn rechts am Bühnenrand platziert, wobei man den Eindruck bekommt, er würde noch lieber mitten im Publikum trommeln. LauraMary Carter gibt hier den stillen, introvertierten Part, aber zum Ausgleich dafür ist sie eine verteufelt coole Gitarristin. Ganz ohne Virtuosengehabe und mit einem fantastischen Timing spielt sie komplexe Notenfolgen, die sich als löchrige Muster über die erstaunlich melodischen Songs legen. Am Mikro ergänzen sich beide komplementär: Laura-Mary Carter steuert die dunkleren Klangfarben bei, während Steven Ansells ohnehin kehliger Gesang sich im Laufe der knapp anderthalb Stunden immer mehr in ein Krächzen verwandelt.

Das stört allerdings niemanden. Zwar ist, wie Ansell bedauernd anmerkt, der durchgeknallte Crowdsurfer im pinken Ganzkörperkostüm vom letzten Mal nicht wieder dabei. Doch die Fans erkennen jeden Song am ersten Ton und toben vor der Bühne ordentlich rum. Und Recht haben sie: Krachende kleine Gitarrenrockhymnen wie „This Is Not For You“, „I Wish I Was Someone Better“ oder „It’s Getting Boring By The Sea“ lassen die in der britischen Popmusik so häufig thematisierte Tristesse des Hinterlands so aufregend und sexy klingen wie selten zuvor. Jörg Wunder

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