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Kultur: Trotz und Wasser

Eine

von Frederik Hanssen

In der vergangenen Woche wäre Ernst Jandl, der Akrobat unter den Poeten, 80 Jahre alt geworden. Was hätte der dichtende Hochseilartist für einen Spaß am Wahlkampf 2005 gehabt! Von wegen: Lechts und rinks kann man nicht velwechsern? Werch ein Illtum!

„Aber wofür stehen die anderen?“, fragt die SPD auf ihren Wahlplakaten. Wofür die Sozialdemokraten selber stehen, verraten sie gerne: „Für Mut zu Reformen“, beispielsweise. Noch mutiger wäre es natürlich, zu etwas zu stehen als für etwas, vor allem wenn man Murks gemacht hat. Die Opposition allerdings lässt sich bei ihrer Kampagne die Chance entgehen, aus dieser inhaltlichen Unschärfe Kapital zu schlagen. Sich festzulegen, wofür sie selber steht, mag die CDU aber auch nicht. Die christdemokratischen Wahlkämpfer schreiben lieber „Fünf Millionen Menschen ohne Arbeit – dafür steht die SPD“ auf ihre Plakate und fordern forsch: „Deutschland braucht den Wechsel.“

Die Frage ist nur: Wer um alles in der Welt sollte uns diesen Wechsel noch ausstellen? Oder liegt hier womöglich eine Verwechslung vor? Ist der gemeine Bürger – und nicht nur der durch die SED emotional verrohte Brandenburger – überhaupt noch in der Lage, die so genannten großen Volksparteien voneinander zu unterscheiden? Gysi und Lafontaine haben da – Jandl eingedenk – gleich einen klaren Seitenverweis in den Namen ihrer neuen Partei aufgenommen. Um Irritationen vorzubeugen. Oder um von Ungereimtheiten abzulenken?

Wie die Chose am 18. September auch immer ausgehen mag, viele werden sich dann wohl so fühlen wie der kleine Hund in dem anderen großen Ernst-Jandl-Hit: ottos mops kommt/ottos mops kotzt/ otto: ogottogott.

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