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Kultur: Typisch Berlin

Produzentengalerien haben sich bewährt – als Sprungbrett für Künstler und Galeristen

Im April 2004 gab eine Berliner Galerie ihr Ableben bekannt – mit einer der merkwürdigsten Begründungen, die man bis dahin gehört hatte: anhaltender, allseits zufriedenstellender Erfolg. Die Liga-Galerie war der erste Vertreter eines neuen Typs Produzentengalerie, der seitdem eine wundersame Vermehrung erfahren hat. Die Neuerung besteht darin, dass eine Gruppe von jungen Künstlern nicht nur gemeinsam Ausstellungsräume mietet, sondern sich darüber hinaus auch einen eigenen Galeriemanager leistet. Ziel: Durch professionelle Arbeit so viel Aufsehen erregen, dass am Ende alle Künstler eine etablierte Galerie gefunden haben.

So gesehen war die Selbstauflösung von Liga nur konsequent. Die Galerie mit Kostenbeteiligung funktionierte derart gut, dass sie sich innerhalb von zwei Jahren überflüssig gemacht hat. Inzwischen gehören Liga-Maler wie Tim Eitel oder Matthias Weischer zum festen Programm von Eigen + Art, die meisten anderen hat der Liga-Manager Christian Ehrentraut in die Galerie mitgenommen, die er im vergangenen März unter eigenem Namen eröffnete.

Mittlerweile hat das Berliner Modell eine Reihe von Ablegern bekommen. Rekord, Amerika, Diskus: Das Prinzip ist immer gleich – und es ist aus verschiedenen Gründen extrem erfolgreich. Denn eigentlich ist dabei jedem gedient. Künstler, die im Anschluss an ihr Studium auf der Suche nach einer Galerie normalerweise einem unangenehmen Realitätsschock ausgesetzt sind, erkaufen sich mit geringem finanziellen Aufwand eine Ausstellungsgarantie an einem Ort, an dem sie selbst die Chefs sind. Kunstsammler wiederum dürfen damit rechnen, dass die Ware frisch ist und sich die Preise (noch) in erträglichen Regionen bewegen. Und auch die Galeristen-Kollegen haben es bequem. Sie können sich zurücklehnen und abwarten, wie die Jungen den Praxistest am Markt bestehen, um dann in aller Ruhe ihre Kontakte zu knüpfen.

„Die ersten Jahre nach dem Studium zu überbrücken“, sagt Sebastian Klemm von der Galerie Amerika, „ist für viele Künstler oft sehr schwer. Da liegt es nahe, sich eine eigene Plattform zu schaffen.“ Bei Amerika haben sich ein gutes Dutzend Absolventen der Leipziger Kunsthochschule zusammengetan, überraschenderweise keine Maler, sondern überwiegend Fotografen. Und der Laden läuft so gut, dass Klemm sich durchaus vorstellen kann, das Galeriegeschäft nach Ablauf seines Engagements ebenso wie sein Nachbar Christian Ehrentraut einfach weiter zu betreiben.

Birgit Ostermeier, die die Geschäfte in der Galerie Diskus besorgt, berichtet von ähnlich positiven Erfahrungen. Seit der Gründung durch zehn junge Bildhauerinnen und Bildhauer aus Dresden sei die Resonanz „sehr gut“. Wohl nicht zuletzt deshalb, da Interessenten das Gefühl haben, „wirklich noch etwas entdecken zu können“, so Ostermeier. Wobei das Risiko für Käufer überschaubar bleibt. Wie bei Amerika fangen die Preise für Werke der Diskus-Künstler bei unter 1000 Euro an, um bis höchstens 6000 Euro zu steigen. Da ist die Gefahr, einen Fehler zu begehen, nicht zu horrend.

Aber Birgit Ostermeier kennt noch einen anderen Vorteil einer Produzentengalerie wie Diskus. „Hier haben die Künstler mehr Freiheiten zu experimentieren, weil der Galerist keinerlei Druck ausübt. Schließlich ist er ja Angestellter der Künstler.“ Wie Sebastian Klemm spielt auch Ostermeier ernsthaft mit dem Gedanken, die Galerie über den vorgesehenen Zeitraum von zwei Jahren hinaus fortzuführen.

Den Punkt hat die Galerie Rekord gerade erreicht. Nach drei erfolgreichen Jahren hat sie sich in diesen Tagen vom Ausstellungsbetrieb verabschiedet – freilich nur vorübergehend. Martin Mertens, der die Galerie zuletzt leitete, wird schon Ende Januar auf der Arte Fiera in Bologna wieder mit einer Auswahl von Rekord-Künstlern unter neuem Namen präsent sein. Spätestens im März 2006 will er Räume gefunden haben, um mit den Künstlern weiterzuarbeiten, die nicht bereits bei anderen Galeristen untergekommen sind. So lange der Markt für Gegenwartskunst stark bleibt, wird dieses Modell funktionieren.

Ulrich Clewing

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