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Kultur: Udo Kittelmann im Gespräch: Der Kommissar des Deutschen Biennale-Pavillon

Udo Kittelmann (40) ist Quereinsteiger in die Kunst: Nach einer Ausbildung zum Augenoptiker sattelte er um auf Galeriearbeit und organisierte schon bald erste Ausstellungen am Münchner Lenbachhaus und der Innsbrucker Kunsthalle. oder dem Städtischen Museum Mühlheim.

Udo Kittelmann (40) ist Quereinsteiger in die Kunst: Nach einer Ausbildung zum Augenoptiker sattelte er um auf Galeriearbeit und organisierte schon bald erste Ausstellungen am Münchner Lenbachhaus und der Innsbrucker Kunsthalle. oder dem Städtischen Museum Mühlheim. Nachdem er Anfang der neunziger Jahre kurz hintereinander die Leitung des Forums Kunst in Rottweil und des Ludwigsburger Kunstvereins übernommen hatte, wechselte er 1995 als Direktor zum Kölnischen Kunstverein, den er bundesweit zu einem der vitalsten Ausstellungsorte machte. Prompt wurde er zum Kommissar des deutschen Pavillons auf der am 10. Juni in Venedig beginnenden Biennale berufen.

Herr Kittelmann, Sie sind der bisher jüngste Kommissar, der für den Deutschen Biennale-Pavillon berufen wurde. Wie war Ihre Reaktion, als das Auswärtige Amt anrief?

Ich habe das zuerst gar nicht geglaubt, mich dann aber sehr schnell auf diese Aufgabe gefreut. Ich habe mich vor allem darüber gefreut, mich mit der speziellen Architektur des Deutschen Pavillons auseinander zusetzen. Für mich spielt der Raum einer Ausstellung, seine Architektur, immer eine große Rolle, ebenso wie für viele Künstler, für die sich ebenfalls durch den Ort die Herangehensweise an ihre Arbeit verändert.

Warum haben Sie dann ausgerechnet Gregor Schneider als Künstler bestimmt, der innerhalb fester Räume immer wieder seine eigenen Gehäuse baut?

Ich halte ihn für einen der außergewöhnlichsten Künstler, weil er eine so authentische Position einnimmt, dass sie sich in keine gängige künstlerische Rezeption eingliedern läßt. Für sein Werk muss erst eine eigene Rezeption erarbeitet werden.

Weil er der große Unbekannte ist?

Nein, man tut sich mit seinem Werk so schwer, weil es sehr komplex ist. Ich selbst habe mich gar nicht lange mit der Frage gequält, wen ich zeigen würde. Ich wollte schon lange mit Gregor Schneider eine Ausstellung machen und habe immer einen adäquaten Ort für sein Werk gesucht. Den habe ich nun in Venedig endlich gefunden.

Bei der Biennale in Venedig müssen die Künstler bis heute nicht nur eine gute Ausstellung zustande bringen, sie repräsentieren zugleich ihr Land.

Auf diesen Künstlern lastet ein enormer Druck. Um so mehr auf Gregor Schneider, weil er noch sehr jung ist. Aber er verfügt bereits über eine ausgeprägte künstlerische Beharrlichkeit, die ihn nicht ins Beliebige abgleiten lassen kann. In den letzten Jahren sind viele Künstler vorrangig daran gescheitert, dass sie sich zu einem Überraschungsclou verführen ließen. Natürlich muss man sich als Kurator fragen: Für wen mache ich diese Ausstellung - für Insider, die das Werk kennen, oder will ich eine breitere Diskussion darüber anstiften?

Im Grunde ist es erstaunlich, dass die über 100 Jahre alte Biennale di Venezia immer noch diese Bedeutung hat, obwohl es heute auf dem ganzen Globus Biennalen gibt.

Venedig ist die "Mutter der Kunstbiennalen", eine Legende. Ihre Struktur mit den nationalen Pavillons, ein Rudiment nationalstaatlichen Denkens, wollten schon viele Kritiker abschaffen. Doch diese Frage stellt sich gar nicht mehr. Es gibt zwar noch den britischen, französischen, ägyptischen Pavillon als Gebäude, aber die Kunst darin hat sich längst globalisiert. Die andere Besonderheit ist Venedig selbst, wo dieses professionelle, manchmal spröde Kunstpublikum plötzlich ausgelassen ist und nicht so verbissen wie sonst.

Auch wenn sich die Künstler selbst international bewegen, besteht nicht darin der Reiz von Venedig, dass man ihren Beitrag einem speziellen Kontext zuordnet und Rückschlüsse über die jeweilige Verfassung eines Landes zieht?

Man muss sich entscheiden: Will ich ein politisches Statement oder etwas anderes? Ich habe mich gegen ein politisches Statement entschlossen, weil meiner Meinung nach Hans Haackes Beitrag auf längere Zeit deutsche Geschichte aufgearbeitet hat. Gerade in Zeiten der Globalisierung erfährt das Individuelle eine immer größere Bedeutung. Natürlich kann ich die besondere Geschichte des Pavillons und bisherigen Beiträge nicht ignorieren. Dafür trage ich als Kurator die Verantwortung. Aber der Künstler soll bitte seine Sache machen und keine nationale.

Als Kommissar des deutschen Pavillons sind Sie nicht nur für inhaltliche Frage, sondern auch finanzielle zuständig. Ist das Handicap?

Natürlich kann man Projekte innerhalb eines vorgegebenen Budgets realisieren, die dann oft nur Minimallösungen sind. Aber das war noch nie meine Sache, und so möchte ich auch mit Gregor Schneider ein Projekt verwirklichen, was so etwas wie die Erfüllung eines Traumes für ihn ist. Wir alle wissen, dass Träume nicht nur lieb, sondern auch teuer sein können. Diese Herausforderung nimmt man entweder an oder nicht.

Vermutlich hat man Sie gerade wegen dieser Einstellung ausgewählt. Der Kölnische Kunstverein gilt Deutschland weit als einer der interessantesten. Wie macht man das?

Wenn ich nur selbst die Antwort darauf wüßte. Ich denke nicht darüber nach, sondern mache einfach, was mir Freude bereitet. Das ist vielleicht schon das ganze Geheimnis. Bei meinen Vorüberlegungen zur Biennale habe ich mich an meine Anfänge in Köln zurückerinnert. Das waren auch immer Projekte, die nicht kalkulierbar waren. Dadurch hat unser Haus ein Profil gewonnen, das sich von vielen anderen Institutionen durch eine eigene Handschrift abhebt.

Worin besteht diese Handschrift?

Ich habe mich schon früh mit Fragen der Präsentation beschäftigt habe und mir darüber Gedanken gemacht, wie man dieser wahnsinnigen Begriffsebene der Aura, die viele Jahrzehnte in der Kunst eine so große Rolle spielte, etwas entgegensetzen oder sie erweitern kann. Da kommt dann die Atmosphäre mit ins Spiel. Aura und Atmosphäre zusammen ermöglichen eine Vermittlung, die sowohl intellektuellen als auch visuellen Ansprüchen genügen kann.

Das klingt nach Eventkultur. Besteht da nicht die Gefahr, dass sich die Kunst mit anderen Formen der Animation vermengt?

Es gibt gute und schlechte Eventkultur. Gegen "Erlebnis" ist nichts einzuwenden; schließlich leben wir alle von Erlebnissen. Wenn eine Ausstellung auf diesen Faktor setzt, ohne in billige Erlebniskultur abzugleiten, dann ist das in Ordnung. Ich kann ja nicht so tun, als ob es diese Eventkultur in unserer Gesellschaft nicht gäbe. Künstler setzen sich nun einmal mit Realitäten auseinander, und ich habe die Aufgabe, diese zur Diskussion zu stellen. Aber bitte keinen Klamauk! Deshalb bin ich auch immer dagegen gewesen, wenn Kunstvereine und andere Institutionen zu Diskotheken werden, um andere "Zielgruppen" zu gewinnen.

Dies ist sicherlich eine Reaktion darauf, dass die Kunstvereine auf Identitätssuche sind, nachdem die Museen zunehmend zeitgenössische Künstler in ihre Häuser holen. Wo stehen die Kunstvereine heute im Geflecht zwischen Galerie und Museum?

Schon vor Jahren hieß es, die Kunstvereine befänden sich in einer Krise, weil sie zwischen den Stühlen säßen. Das ist zwar die unbequemste Stellung, aber auch eine, die einen in ständiger Bewegung hält. Inzwischen ist diese Krise weitgehend überwunden, weil es wieder einige Kunstvereine gibt, die sehr mutig und experimentell arbeiten. Problematisch bleibt, dass viele Museen sich immer mehr ins aktuelle Kunstgeschäft einmischen. Ich wünsche mir, dass sie wieder verstärkt ihre traditionellen Aufgaben wahrnehmen. Mittlerweile gibt es viele historische Positionen der 60er und 70er Jahre, die jetzt erst als wichtig erachtet werden. Die Museen sollten solche Künstler ausstellen, für die Kunstvereine nicht die Strukturen haben, weil ihnen der wissenschaftliche Apparat und die finanziellen Ressourcen fehlen.

Das Besondere an Kunstvereinen ist ihre Vereinsstruktur. Müssten sie sich nicht darauf wieder besinnen und mit ihren Besuchern stärker in einen Dialog eintreten?

Ja, aber das gilt für beide Institutionen: Kunstvereine wie Museen. Ich bin sehr für einen lebendigen Diskurs, wobei gerade eine jüngere Generation veränderte Vermittlungsstrategien einfordert. Da ist es wichtig, dass sich die Kunstvereine verstärkt wieder als Mitgliederorganisationen verstehen. Nur fragen sich viele, welche Notwendigkeit es überhaupt gibt, einem Kunstverein beizutreten. Der hauptsächliche Grund kann nur der sein, dass man Kultur privat unterstützt, ohne nach persönlichen Vorteilen und Vergünstigungen zu fragen. Die eigene Verantwortung müsste mehr ins allgemeine Bewusstsein rücken.

Das klingt nach einem Appell an die Bürgergesellschaft.

Natürlich. Es gibt viele Arten, sich einzubringen. Wichtig bleibt, dass eine Basis geschaffen wird, die auch Off-Kultur als Saat einer künftigen Hochkultur ermöglicht. Ansonsten stirbt unten alles weg, so dass die Pflänzchen keine Chance mehr haben, zum Baum zu werden.

Herr Kittelmann[Sie sind der bisher jüngste]

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