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Überarbeiteter Gesetzentwurf: Besser fürs Kulturgut

Der erste Entwurf des Gesetzes zum Schutz des Kulturgutes ging gründlich daneben. Nun wurde nachgebessert - doch der Konflikt zwischen Kulturgutschutz und Marktradikalismus bleibt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Bernhard Schulz

Ein bisschen durfte sich Monika Grütters, Kulturstaatsministerin in Merkels Kanzleramt, wie eine Königin Midas im Kabinett fühlen. Was sie anfasste, schien ihr glänzend zu gelingen, so jüngst die Durchsetzung eines „Museums der Moderne“ am Berliner Kulturforum samt 200 Millionen Euro Baukosten. Doch dann startete sie ihr erstes Gesetzgebungsvorhaben, die Neuregelung des Kulturgutschutzes unter Zusammenfassung bislang getrennter Sachbereiche und Regelungen. Und das ging erst einmal gehörig schief.

Was Grütters sich nach dem Durchstechen ihres Erstentwurfs anhören musste, überstieg den gewöhnlichen Pegel der Kritik. „Kalte Enteignung“ war noch die moderate, „Guillotine des Kunsthandels“ eine schärfere Version. Die Aussicht, Kunstwerke mit Ausfuhrverboten belegt zu sehen, trieb Händler, Sammler und auch Künstler auf die Barrikaden. Was da, unter Mitwirkung geneigter Medien, an Vor- und Anwürfen geäußert wurde, zielte nicht mehr auf Verbesserung eines unausgegorenen Referentenentwurfs, sondern auf die Verhinderung jeglichen Gesetzes. Grütters unterschätzte die Mechanismen des politischen Betriebs – bei einem Thema, wo sie nichts Böses ahnte, zumal der allseits begrüßte Schutz gegen den illegalen Handel mit Raubgut etwa aus Bürgerkriegsstaaten gleichfalls Teil ihres Vorhabens ist. Es schien, als ob die Kulturnation nichts Wichtigeres bewegt als das möglichst regelungsfreie Auslandsgeschäft des Kunsthandels. Eine Art gespaltenes Bewusstsein tat sich auf: Während die Öffentlichkeit auf das Recht eines jeden Staates pocht, seine – zumeist antiken – Schätze im Lande zu behalten, geht ihr andererseits die Bewahrung noch dazu als „national wertvoll“ deklarierter Kulturgüter gegen den Strich. Dass sich das ansonsten gegenüber einem unregulierten Marktgeschehen zunehmend skeptische Publikum derart von merkantilen Interessen vereinnahmen ließ, überrascht denn doch.

Handel und Kultur prallen aufeinander

Nun liegt die Überarbeitung vor. Monika Grütters hat gewissermaßen die Kurve gekriegt und den deutschen Kunsthandel in seinem Hauptbetätigungsfeld, der zeitgenössischen Kunst, von allen Beschränkungen freigestellt. Und die privaten Sammler gleich mit, die die mögliche Veräußerung ihrer Schätze sich und ihren Erben vorbehalten wollen. Dabei war den Hitzköpfen der monatelangen Debatte entgangen, dass sich die Eintragung als „national wertvolles Kulturgut“, mithin nicht gänzlich frei handelbare Ware, nur auf Ausnahmestücke bezieht und beziehen kann. Ist der Kampf, der zu Zeiten Richard von Weizsäckers um das vom Ausverkauf bedrohte Watteau-Gemälde „Einschiffung nach Kythera“ aus Schloss Charlottenburg geführt und gewonnen wurde, schon wieder vergessen?

Zwei Welten stoßen aufeinander: die der Kultur und ihrer fallweisen Bewahrung als „national wertvoll“; und die des Handels und Geldes in einem durchglobalisierten Markt. Eigentum verpflichtet? Jaja, das steht im Grundgesetz. Der Konflikt zwischen Kulturgutschutz und Marktradikalismus jedenfalls bleibt virulent, egal, ob Grütters’ Gesetz die politischen Hürden nimmt. Dass die Kunst der – nunmehr auf 70 Jahre gedehnten – Gegenwart von Beschränkung frei bleibt, soweit sie in privater Hand und Handel liegt, lässt einer Entscheidung über nationale Bewahrung Zeit. Anderes, Älteres, Anerkanntes hingegen darf und muss bedacht werden, ehe es zu spät ist.

Was der Nation bewahrenswert dünkt, liegt nicht auf ewig fest und wird stets neu verhandelt. Nach Grütters’ Beinahe-Unfall, der nicht als bloße Kommunikationspanne abzutun ist, steht die Diskussion darüber an – eine sehr deutsche wohl, angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der Nationen wie Italien oder Frankreich ihren Besitz im Lande halten.

Der Unternehmer Reinhold Würth übrigens, dessen Sammlung gerade in Berlin gezeigt wird, hat ein Gemälde Hans Holbeins von 1528, beste Renaissance also, zum Rekordpreis erworben, obwohl es mit Ausfuhrverbot belegt ist. Einfach, um es als glücklicher Besitzer der Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf Dauer.

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