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Kultur: Übergeben & übernehmen

Eine

TANALYSE von Rüdiger Schaper

Nehmen wir einmal an, das Deutsche Theater Berlin würde Lastwagen, Medikamente oder Heizkörperablesegeräte produzieren. Dann hätten wir es jetzt mit einer versuchten Übernahme zu tun; eine feindliche, wenn man die Reaktionen im DT richtig deutet. Thomas Oberender hat eine Option auf das Haus, in Form eines Vorvertrags. Am Montag unterschrieben von ihm und von Thomas Flierl, der bis gestern so etwas wie der Aufsichtsratsvorsitzende der Berliner Kultur war. Papier ist in diesem Fall ungeduldig und hat nur so viel Wert, wie der neue Chef Klaus Wowereit ihm beimisst. Da ist das letzte Wort, wie man hört, noch nicht gesprochen.

Etwas geht vor in Berlin. Etwas geschieht in der Kulturpolitik, man könnte es ihre Ökonomisierung und Beschleunigung nennen. Seit wann denn müssen Intendanten in spe und scheidende Senatoren supereilige Vorkaufsrechte zeichnen? Dazu passt die Nachricht, dass der sogenannte Unterausschuss Theater im Abgeordnetenhaus abgeschafft wird, jenes Gremium, in dem die Wirtschaftspläne der Bühnen öffentlich debattiert wurden. Und in dem der Abgeordnete Wowereit einst seine kulturpolitische Laufbahn begann. In Zukunft wird der Kulturausschuss, bis dato ein reiner Diskussionsclub, die ökonomische Kontrolle der großen Kulturinstitutionen übernehmen.

Übernahme: Das ist die neue Devise auch in der Kultur. Der Regierende Bürgermeister macht es vor – und das Amt des Kultursenators überflüssig. Wowereit aber, das sieht man schon jetzt, wird mehr weggeben, als dass er sich selbst übernähme. Die Staatsoper zum Beispiel: Nur weil Wowereit es immer wieder fordert, wird es ja nicht unwahrscheinlicher, dass der Bund eines Tages doch in der einen oder anderen Form Unter den Linden mitspielt. Und das marode Schmuckstück übernimmt.

Indessen hat die Opernstiftung alle Hüllen fallen lassen und zeigt, was sie ist: eine rein wirtschaftliche Hilfskonstruktion. Sie wird auch nur dann bestehen, wenn ihr Generaldirektor größere Kompetenzen bekommt und – da ist es wieder – Gesamtverantwortung für die gesamte Berliner Opernlandschaft übernimmt. Es riecht ein bisschen nach Fusion.

Die Intendanten spüren das. Andreas Homoki von der Komischen Oper hat sich als Erster gegen Michael Schindhelms Masterplan gestellt. Heute wird Kirsten Harms, die Chefin der Deutschen Oper, ihre Stimme erheben. Keiner will mehr in der Stiftung sein und die pauschale Etatdeckelung mitmachen. Auch Daniel Barenboim nicht. Der Generalmusikdirektor der Staatsoper hat in seiner Dankesrede für den Berliner Toleranzpreis das Kunststück fertiggebracht, sein persönliches Charisma und Lebenswerk mit dem Ruf nach dem Bund zu verbinden.

Heute übernimmt Wowereit. Die Kulturszene hat schon Wirkung gezeigt. Die einen graben sich tiefer ein, die anderen setzen noch schnell Positionslichter. Ein Rücktritt (Schindhelm), ein Kandidat vor der Zeit (Oberender), ein rasierter Parlamentsausschuss: So früh ist noch keiner aufgestanden.

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