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Kultur: Ufersuche

"Das Altern der Neuen Musik" hat Adorno einmal einen Aufsatz überschrieben und darauf hingewiesen, daß, obgleich die Schlüsselwerke des musikalischen Aufbruchs zu Beginn des Jahrhunderts den Stachel ihrer verstörenden Wirkung durch zunehmende Affirmation zu verlieren beginnen, die folgende, kaum wirklich fortschreitende Musik im Vergleich zu ihnen bedrückend zahm erscheint.Daß die heutige Musik sich mit der inzwischen gestrigen nicht zu messen vermag, darf bezweifelt werden; daß viele Werke der Neue Musik schnell altern, ist hingegen offensichtlich.

"Das Altern der Neuen Musik" hat Adorno einmal einen Aufsatz überschrieben und darauf hingewiesen, daß, obgleich die Schlüsselwerke des musikalischen Aufbruchs zu Beginn des Jahrhunderts den Stachel ihrer verstörenden Wirkung durch zunehmende Affirmation zu verlieren beginnen, die folgende, kaum wirklich fortschreitende Musik im Vergleich zu ihnen bedrückend zahm erscheint.Daß die heutige Musik sich mit der inzwischen gestrigen nicht zu messen vermag, darf bezweifelt werden; daß viele Werke der Neue Musik schnell altern, ist hingegen offensichtlich.Von Bekenntnisstücken, wie sie die Musiker von Anton Webern Quartett und Ensemble United Berlin im Rahmen des Gielen-Porträts der Festwochen boten, ist die avancierte Zeitgenössische Musik weit entfernt, und es wundert kaum, daß man im gut besuchten Kammermusiksaal des Konzerthauses, in dem sich die Neue-Musik-Welt Berlins versammelte, Komponisten unter fünfzig vergeblich suchte.

Neben einer etwas holzschnittartigen, in den dynamischen Spitzen klanglich rohen Darbietung von Weberns Quartett op.22 markierte Schönbergs differenziert interpretierte und von Johannes Schmidt ohne jedes Pathos rezitierte "Ode an Napoleon" den Ausgangspunkt für Gielens musikalisches Denken.Seine Sechs Lieder, 1951 bis 1954 nach der Rückkehr aus dem argentinischen Exil entstanden, nehmen auf die Zweite Wiener Schule bezug, betreiben aber nur zögerlich die Suche nach neuen Ufern.Auch hier gelangen Johannes Schmidt und dem Instrumentaltrio unter Peter Hirsch eine bis ins Detail spannungsvolle Deutung.

Vom Gielen der jüngeren Zeit würde man gern mehr hören.Seine kurze Cello-Sonate "Weitblick" von 1991 etabliert in vierteltönig schwebender Intervallik eine in verschiedenen Bogentechniken wunderbar ausgestaltete Klanglichkeit, der Bruno Weinmeister zu eindringlicher Präsenz verhalf.Solche Intimität konnte in dem Melodram "Die Glocken sind auf falscher Spur" (1969) nicht aufkommen.Die von Peter Hirsch am Harmonium gesprochenen Arp-Fragmente wurden - ganz im Geist jener Zeit - von Bloch-Zitaten vom Tonband kontakariert.Das komponierte Bekenntnis zur Kunst, die sich anschickt, die Analyse des falschen Bewußtseins zu unternehmen, kann sein Alter nicht verbergen.Verdienter Jubel für die klangsinnliche Umsetzung der komplizierten Partitur.

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