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Kultur: Umschlungen von Beethoven

Das Konzerthaus feiert sein Vierteljahrhundert

Das Konzerthaus macht sich und uns den Spaß, „Die Wuth über den verlorenen Groschen“ als Gewinn einzufahren. Die Fahrt geht über die Bühne des Kleinen Saals, und am dahingleitenden Instrument sitzt der Pianist Vladimir Stoupel. Es braucht nur ein paar Takte aus Beethovens Opus 129, um heitere Gefühle zu wecken. Das Konzerthaus feiert 25-jähriges Bestehen. Kalauer stehen an, da der „Festakt“, ein Leichtgewicht, von Herbert Feuerstein kommentiert wird. „Ballast“ also statt Palast für den „alten Schinkel“. Der Entertainer hat Musik studiert. Dem Thema Kultur und Geld kommt er als kabarettistischer Haydn-Biograf bei: „Haydns Rente war sicher.“ Konkreter geht Kulturstaatssekretär André Schmitz mit Glückwünschen in die Gegenwart: Gut sehe es aus für den Kulturhaushalt. Der Senat sei sich der Verantwortung für den „Musiktempel“ bewusst und der bisherige Intendant Frank Schneider jüngst für seine Arbeit zugunsten des Hauses und des Orchesters mit dem Landesverdienstorden geehrt worden. Intendant Sebastian Nordmann wirbt mit Blick auf die Geschichte des Schauspielhauses (vgl. Tagesspiegel vom 29. September) für die Versteigerung von originalen Hockern aus dem Foyer (noch bis zum heutigen Sonntag, Mindestgebot 100 Euro).

Dass Norbert Lammert Musik liebt, ist bekannt, seit er kurz nach seinem Amtsantritt als Bundestagspräsident die Berliner Philharmoniker dirigiert hat. Die Erwartungen, die sich an solche musischen Neigungen knüpfen, erfüllt seine Festrede kaum. Sie sucht „Aufklärung“ über den Konzertsaal, streift das Haus der Könige und Kaiser, „Freischütz“ und Beethovens Neunte, ohne Originalität zu fördern. Seine Freude „über die gut investierten Groschen“ wird voll akzeptiert.

Seid umschlungen von Beethoven! In Ton und Bild ist „Lennie“ Bernstein präsent, weil er nach dem Fall der Mauer den unvergesslichen Meilenstein gesetzt hat: seine Neunte 1989 als Ode an die Freiheit. Die Symphonie bestimmt nun auch das Konzert im Großen Saal. Mit Verve wirft sich Lothar Zagrosek in die Musik, mit einer dynamischen Wildheit, als müsse er selber noch die Pauke spielen. Mit dem Konzerthausorchester entfaltet er ein aufgerautes, offenes Klangbild. Ohne Gloriole ist sein Adagio von drängendem Impetus bestimmt, vibrierend steht der Cherub „vor Gott“. Dazu kompakte NDR- und Prager Chöre. Das Solistenquartett tut sich mit den Höhen schwer. Aber Johan Reuter gestaltet sein Basssolo mit lyrischer Schönheit.

Beethoven ist überall. Aus dem Titel der Uraufführung, „Quasi una sinfonia“, meint man die Mondscheinsonate zu hören. Im Auftrag des Konzerthauses komponiert, erklingt das letzte Werk von Friedrich Goldmann, der im Juli gestorben ist. Das einsätzige Stück enthält alles, was der Dirigent und Komponistenmacher in sich trug: Farben hoher Bläser und des Schlagwerks, subtile Reibungen, Virtuosität für Orchester, ausgehörten, gefühlten Klang. Wehmütiges Gedenken an die Fülle des 20. Jahrhunderts, mit der sich Goldmann aus dem 21. Jahrhundert verabschiedet. Sybill Mahlke

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