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Kultur: Umzug der Kunst-Moguln

Konkurrenz zu Köln - die zweite Berliner Art Forum ist im Kommen / Das Publikum feiert eine respektable Messe: feiner und kleiner$VON NICOLA KUHNEinen Seufzer der Erleichterung dürfte so mancher Galerist getan haben, als am Ende der Sommersaison im Auktionsgeschäft feststand: die sieben mageren Jahre sind vorüber.Die Versteigerungshäuser in New York, London, Paris, aber auch in Berlin, München, Hamburg verzeichneten durchweg Zuwächse, das Schreckgespenst der Dauerflaute scheint gebannt, das den Kunstmarkt seit dem großen Crash 1990 heimgesucht hatte.

Konkurrenz zu Köln - die zweite Berliner Art Forum ist im Kommen / Das Publikum feiert eine respektable Messe: feiner und kleiner$VON NICOLA KUHNEinen Seufzer der Erleichterung dürfte so mancher Galerist getan haben, als am Ende der Sommersaison im Auktionsgeschäft feststand: die sieben mageren Jahre sind vorüber.Die Versteigerungshäuser in New York, London, Paris, aber auch in Berlin, München, Hamburg verzeichneten durchweg Zuwächse, das Schreckgespenst der Dauerflaute scheint gebannt, das den Kunstmarkt seit dem großen Crash 1990 heimgesucht hatte.Die Quittung für die heillose Überhitzung des Marktes Ende der Achtziger zahlten nicht nur die den Boom eifrig ankurbelnden Auktionshäuser.Zu den Opfern gehörten vor allem die Galerien: allein in New York mußte rund die Hälfte der Galerien ihre Bilder abhängen und Pforten schließen. So sind es nun wieder die Kunsthändler, die beim Studium der Auktionsergebnisse Hoffnung schöpfen - angesichts eines Marktes, den das Statistische Bundesamt mit einem Umsatz von 1,5 Milliarden Mark beziffert.Nur rund 500 Millionen Mark fließen allerdings den mit "ernsthafter" Kunst handelnden Galerien und Aktionshäusern zu."Qualität hat wieder ihren Preis", so der Düsseldorfer Art Consultant Helge Achenbach. In die Aufwärtsbewegung platzte im vergangenen Jahr die Ankündigung einer neuen Kunstmesse für Berlin.Die mit 350 Teilnehmern bis zur Unüberschaubarkeit angeschwollene älteste Kunstmesse Deutschlands, die Art Cologne, drohte ihren Ruf durch die zunehmende Mittelmäßigkeit von Ware und Beschickern zu verspielen.Da die Verantwortlichen Kritik ignorierten, lag es nahe, eine neue Messe zu gründen und sie anzusiedeln, wo die Zukunftsmusik spielt. Mit dem gestern abend eröffneten Art Forum geht die Berliner Messe für zeitgenössische Kunst bereits in die zweite Runde.Sie wartet diesmal mit etwas weniger spektakulären Begleitveranstaltungen auf als 1996 - damals wurde der Hamburger Bahnhof übergeben.Doch die am Vorabend eröffnete Polke-Ausstellung im Hamburger Bahnhof, die große Schau der "Deutschlandbilder" im Martin-Gropius-Bau sowie die "Exil"-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie sind als Köder ausgeworfen; überdies hochkarätig besetzte Symposien, Galerienrundgänge, Filmvorführungen, Galaveranstaltungen und Partys.Was 1996 als "temporärer Regierungsumzug der Kunstmarktherrscher" umschrieben wurde, scheint vollzogen. Während die Organisatoren des Art Forums Berlin moderat verlautbaren lassen, es gebe Platz genug für zwei Messen, faßt die vier Tage später beginnende Art Cologne die Berliner Veranstaltung als Kampfansage auf. "Die Konkurrenz zu Köln wird beide Städte auch in Zukunft zu großen Anstengungen stimulieren", erklärt der 1996 nach Berlin umgezogene Art Cologne-Mitbegründer Rudolf Zwirner.Ein Zahlenvergleich liefert indes noch wenig Anhaltspunkte: Besuchten im vergangenen Jahr 17 000 Menschen die kleine, aber feine Berliner Messe, so waren es 71 000 in Köln.Den zufriedenstellenden Verkäufen im mittleren Bereich beim Art Forum standen bejubelte Ergebnisse in Köln gegenüber.Dennoch wurde die erste Ausgabe des Art Forums von Publikum und Kritik begeistert aufgenommen.Das Konzept einer kleineren, höchsten Ansprüchen genügenden Messe war aufgegangen. Derweil muß Berlin selbst seinen Platz als Standort des Kunsthandels erst noch finden.Die Akzentuierung bei Kunst der achtziger und neunziger Jahre auf dem Art Forum weist hier den Weg.Die Verlegung der Moderne-Auktion des Münchner Versteigerungshauses Ketterer an die Spree zeigt, daß diese Zeichen verstanden wurden.War Berlin Kunstfreunden bisher vornehmlich wegen der Museen und Ausstellungen eine Reise wert, so hat sich das Interesse zunehmend auf zeitgenössische Kunst verlagert.Die ganze Völkerwanderungen mobilisierenden Galerienrundgänge in und um die Auguststraße haben mittlerweile legendären Ruf.Hier wiederholte sich nach dem Mauerfall, was zuvor in New York unter SoHo-Effekt firmierte: die gegenseitige Anziehung von Galerien im pittoresken Milieu eines heruntergekommenen Viertels. Schon werden allerdings warnende Stimmen laut, daß gerade die "kulturelle Aufforstung" in der Spandauer Vorstadt, in den Hackeschen Höfen zu einer Verdrängung der Künstler aus ihren Ateliers führen könnte.In Zeiten bedeutender Kunstereignisse, jener "Highlights", wie sie sich der Kultursenator zum Programm gemacht hat, scheinen Unkenrufe fehl am Platz.Und doch sorgt gerade die Präsenz von Künstlern für die Vitalität und Attraktivität einer Kunststadt. Nach den großen Erfolgen der "Young British Artists" richtet sich nun die Hoffnung auf eine entsprechende Entwicklung in der jüngeren deutschen Kunst."Dabei könnte Berlin eine wichtige Rolle spielen", glaubt Thomas Schulte von der Galerie Franck + Schulte."Die Stadt hat allmählich alles, was dies begünstigen könnte." Entscheidende Voraussetzung sei es jedoch, "daß die Museen wie in London sich mehr auf zeitgenössische Kunst konzentrieren als bisher", so Max Hetzler, der seine Galerie Anfang 1994 von Köln nach Berlin verlegte. Und noch etwas macht die Kunststadt erst zu einer solchen: die Gegenwart von Käufern, von Sammlern.Köln konnte sich da bislang auf sein Hinterland verlassen, mit Belgien und Holland als Einzugsgebiet.Doch auch auf diesem Gebiet hofft Berlin auf den Zuzug aus Westdeutschland.Wichtiges Signal dafür war in diesem Jahr die Umsiedlung des Kölner Sammlerehepaares Rolf und Erika Hoffmann, die ihre Kollektion einmal wöchentlich in ihren Privaträumen zeigen.Ebenso der Umzug des Osnabrücker Geschäftsmannes Rolf Piepenbrock, der sein in der Villa Lemm bezogenes Quartier künftig für kulturelle Veranstaltungen zugänglich machen will. Das Art Forum setzt jedoch vor allem auf die neuen Käufer, die mit junger Kunst erst einmal neugierig gemacht werden sollen.Der Zeitpunkt scheint richtig gewählt, sucht doch die "Erben-Generation" nach Möglichkeiten, ihr Geld einzusetzen.Gerade auf diese Neulinge scheint die "Event"-Kultur rund um die Kunst zugeschnitten zu sein."Machten die Sammler früher intensive Entdeckungs- und Informationsstreifzüge durch die Galerien, so informieren und kaufen sie heute mehr auf den internationalen Kunstmessen", hat auch der Kölner Heinz Holtmann beobachtet, der im September gemeinsam mit Klaus Fischer und Dietmar Löhrl in der Auguststraße eine neue Galerie begründete. Wenn das zweite Art Forum heute seine Tore dem großen Publikum öffnet, dann begleiten die unterschiedlichsten Erwartungen dieses Ereignis.Als künftiges "Kunsthandelszentrum Deutschlands, wenn nicht ganz Kontinentaleuropas" (Bernd Schultz, Villa Grisebach) sind in Berlin die größten Hoffnungen gesetzt.Die nächsten Tage werden beweisen, daß es zumindest seine Rolle als Messestandort für zeitgenössische Kunst erfüllt. Art Forum Berlin, Messegelände, Hammarskjöldplatz, bis 4.November; 11-20 Uhr.

$VON NICOLA KUHN

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