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Kultur: Und bist Du nicht willig...

Am heutigen Mittwoch soll die Fusion der Stadttheater von Potsdam und Brandenburg beschlossen werden VON FREDERIK HANSSENDie Geschichte klingt wie das Märchen vom Fischer und seiner Frau: Jahrzehntelang hatten die Potsdamer Theaterfreunde sich danach gesehnt, aus ihrem Nachkriegs-Notquartier, der ehemaligen Kneipe "Zum alten Fritz", in ein "richtiges" Theater umziehen zu können.Doch kaum erhob sich der wuchtige Rohbau auf dem Alten Markt, fiel die Mauer und das Projekt den Plänen zur Stadtschloß-Rekonstruktion zum Opfer.

Am heutigen Mittwoch soll die Fusion der Stadttheater von Potsdam und Brandenburg beschlossen werden VON FREDERIK HANSSEN

Die Geschichte klingt wie das Märchen vom Fischer und seiner Frau: Jahrzehntelang hatten die Potsdamer Theaterfreunde sich danach gesehnt, aus ihrem Nachkriegs-Notquartier, der ehemaligen Kneipe "Zum alten Fritz", in ein "richtiges" Theater umziehen zu können.Doch kaum erhob sich der wuchtige Rohbau auf dem Alten Markt, fiel die Mauer und das Projekt den Plänen zur Stadtschloß-Rekonstruktion zum Opfer.Dafür aber sollten die Bürger ein noch viel schöneres Haus bekommen, für 100 Millionen, eine avantgardistische Glas-Stahl-Konstruktion, würdig der Landeshauptstadt.Es wäre aber auch zu märchenhaft gewesen: Nach dem letzten Beschluß der Stadtväter soll das Theater schnellstmöglich wieder in seinen alten "Pißpott" zurückkehren, der für maximal 27 Millionen zu einem "Theater der Bescheidenheit" umgebaut wird. Doch damit nicht genug.Geht es nach Kulturminister Steffen Reiche, wird das Potsdamer Hans-Otto-Theater seinen Pißpott in Zukunft auch noch mit dem Stadttheater von Brandenburg/Havel teilen: "Etwas wirklich Neues" wollte Reiche wagen - und dachte dabei doch vor allem an "etwas wirklich Billiges".Durch eine Zwangs-Fusion der benachbarten Stadttheater will er mittelfristig 145 von 555 Mitarbeitern eingesparen, es soll gemeinsame Werkstätten und Koproduktionen geben.Die bisherigen Gesamtkosten von 45 Millionen könnten so um 2,3 Millionen reduziert werden.Wo nicht viel ist, läßt sich eben auch nicht viel einsparen.Dafür ist die Schmerzgrenze um so schneller erreicht. Nach einem ersten Aufheulen begannen beide Theater jedoch, Reiches Vorschlag systematisch aufzuweichen.Inzwischen ist nur noch eine Holding-Gesellschaft der beiden Theater als Zeichen der Kooperationsbereitschaft übriggeblieben, deren Gründung heute im Stadtparlament von Brandenburg und am 4.Dezember dann in Postdam beschlossen werden soll.Für Reiche "ein idealer Ausgangspunkt, von dem aus sich die endgültige Fusion ohne Zeitdruck angehen läßt." Er fühle sich wie ein Fuchs in der Falle, kommentierte der Brandenburger Intendant Dr.Michael Muhr: "Entweder ich beiße mir ein Bein ab oder ich verrecke." Es gibt allerdings auch einen lachenden Dritten bei der brandenburgischen Tragikomödie - die Brandenburgische Philharmonie Potsdam, die sich bereits im vergangenen Jahr aus der Institution Hans-Otto-Theater herausgelöst hat und seitdem nur noch gegen Geld und mit Murren den "Dienst" für die Musiktheatersparte versieht.Als eigenständige Orchester-GmbH neben dem Doppeltheater kann das Ensemble auch in der Holding seine eigene Programmpolitik weiterverfolgen, selbst wenn Reiche noch von "einer sensiblen Zusammenführung der Orchester" träumt.Doch die Brandenburger Philharmoniker haben im Gegensatz zum Minister verstanden, daß die Kulturstandorte Potsdam und Brandenburg bis auf ihre geographische Nähe nichts miteinander verbindet - und sich deshalb eine Fusion auch nur verheerend auswirken kann.Dabei stellt noch nicht einmal die Inkompatibilität der Bühnen den gravierendsten Hinderungsgrund dar - die Potsdamer spielen in ihrer "Blechbüchse" ebenso in einem Übergangsquartier wie die Brandenburger in ihrer Studiobühne, zwar ein Nachwendebau, doch nur die kleinere Hälfte des geplanten Theaters, da das "Große Haus" aus Finanzgründen noch gar nicht in Angriff genommen wurde und nun als "Mehrzweckhalle" realisiert werden soll. Während Potsdam nämlich als "Speckgürtel-Theater" nur dadurch an Profil gewinnen kann, daß es dem Publikum Produktionen anbietet, die in dieser Form in Berlin nicht zu sehen sind, muß das Brandenburger Theater vor allem die künstlerische Grundversorgung der 80.000 Einwohner der Stadt und der umliegenden Gemeinden gewährleisten.Das Potsdamer Musiktheater hat sich in dieser Saison konsequent umgestellt, und bietet mit musikwissenschaftlich begleiteten Opernraritäten im Schloßtheater des Neuen Palais vor allem auch dem Berliner Spezialistenpublikum einen Anreiz, nach Potsdam zu fahren - daß die angesprochenen Zielgruppen aufgrund mangelhaften Marketings oft nichts davon wissen, steht auf einem anderen Blatt.In Brandenburg dagegen erwarten Opernfreunde von ihrem Theater, daß dort das gesamte Standard-Repertoire von Mozart bis Operette gespielt wird, weil sich die Brandenburger eben nicht einfach in die S-Bahn setzen und in die Staatsoper fahren können. Mit seiner Mischung aus großer spätromantischer Sinfonik und CD-Aufnahmen mit Montserrat Caballe, versucht sich die Brandenburgische Philharmonie Potsdam selbstbewußt als neuntes Sinfonieorchester der Hauptstadt zu etablieren, während sich die Brandenburger Symphoniker in erster Linie als Opernorchester für ihr Theater verstehen. So absurd Reiches Fusions-Idee vor diesem Hintergrund auch erscheinen mag, fest steht, daß sich weder Potsdam noch Brandenburg ihre Theater zukünftig mehr leisten können, auch wenn das Land bereits 60 Prozent der Unterhaltskosten trägt.Die erzwungene Verschmelzung zweier grundverschiedener Institutionen ist da die einfachste, aber auch die schlechteste Lösung, um Geld zu sparen.Ehrlicher, wenn auch schmerzlicher wäre beispielsweise die komplette Schließung der Opernsparten von Potsdam, Brandenburg und vor allem auch der unter Ausschluß der Öffentlichkeit spielenden Operntruppe in Frankfurt/Oder und die gleichzeitige Gründung einer "Brandenburg Touring Opera" nach dem Vorbild der "English Opera Compagnie" von Benjamin Britten oder der holländischen Reiseoper, einer mobilen Operntruppe also, die für jede Produktion neue, adäquate Sänger engagiert und so die Opern-Grundversorgung der Brandenburger nach dem Stagione-Prinzip sichert.Reiches verzweifelter Spar-Freistoß dagegen droht zu einem Eigentor zu werden.

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