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Kultur: Und leider auch Comedy

„Faust“ am Hamburger Schauspielhaus

Von fern schon leuchten sie, rot und hell und hässlich durch die dunkle, laue Nacht: die zwei Teufelshörner auf dem Dach des Hamburger Schauspielhauses. Intendant Tom Stromberg hat sie trotzig obenauf gesetzt. In Jan Bosses Inszenierung trägt Mephisto aber zunächst noch Flügel. Schwarz sind sie, schwarz ist auch sein Overall. Laut schreiend windet er sich als verkohlter Cherub auf einem kleinen Rund, das Stéphane Laimé mitten ins Parkett gebaut hat. Und dort, wo die eigentliche Bühne steht, hat Laimé, wunderschön und detailgenau, ein weiteres Parkett samt erstem Rang gebaut. So sitzt das Publikum ganz ungewohnt und rundherum um jenes schwarze Podest, das sich langsam stetig dreht und meist nicht mehr als einen Drehhocker zur Verfügung stellt.

Zum Prolog bricht ebendort Joachim Meyerhoffs Mephisto als gefallener Engel zusammen, um dann so kläglich theatral von „Busen, Zauber, Hauch und Schatten“ zu stottern, bevor er schrecklich zuckt und im halblauten Selbstgespräch mit Gott um die Faustsche Seele wettet. Schnell meldet sich der Gegenspieler aus einer zweiten Reihe. Ein missgestimmter, wutentbrannter Akademiker ist Edgar Selges Faust, der ab sofort mit zarter Nickelbrille und im grauen Anzug durch die Reihen schießt. Von der eignen Unzulänglichkeit gequält, monologisiert, lamentiert und wütet er. Mal spürt er sanft den Worten nach, mal wird er ungeduldig laut. Selge ist ein großartiger Zweifler. Ist immer ganz nah dran am Publikum und sucht mit ihm nach Reimen und nach Antwort. Mal klettert er über die Logen, mal rennt er durchs Parkett, mal stürzt er aus der Tür. Klug baut Bosse das Stück, so nah es geht, ans Publikum heran und hält, zumindest anfangs, die Waage zwischen Ernst und Spiel.

Locker zaubert Mephistopheles mit der Theatertechnik, schnippt freudig Lichter an und aus und versetzt Faust in schwebende Hypnose. Komisch ist er, schnell und unberechenbar. Aus dem Nichts heraus kostümiert er sich als Friedrich Schirmer und persifliert gekonnt den künftgen Intendanten. Sinnleer und öde folgen nun ein paar schlecht gerockte Schlager, reihen sich schale Witze an versäumte Pointen und vollzieht sich in einer vernebelten Hexenküche die Verjüngungskur für Faust. Dieser enspringt er mit vollem Haar und coolem Jeansoutfit, trifft Margarete und verliebt sich gleich.

Maja Schöne spielt das schnoddrige Gretchen mit doofen Zöpfen, extra kurzem Rock und losem Mundwerk. Großartig unbeschwert plappert sie die Verse runter, ein eitler Teenie, schüchtern und verliebt. Als sie bei späterer Gelegenheit wiederholt dem geliebten Freund die heikle Gretchenfrage stellt, ist das schon Teil einer schweren Pärchenkrise.

Jan Bosse hat diesen Hamburger „Faust“ zu sehr als leichtfertige Komödie, voll bunter Tricks, gekonnter Zaubereien und schöner Lichteffekte in Szene gesetzt. Dabei gerät er in einen Strudel, wo ein Witz nurmehr den nächsten jagt. Und alles Schwere, Ernste und auch Philosophische verpufft blitzschnell in Comedy und Spaß. So zielt, trotz des nahezu perfekten Duos Selge-Meyerhoff, manch schlauer, schöner Text ins Leere, bleibt am Ende jede Tragik fern und stirbt das Gretchen unerlöst, weil es, bei Goethe, eben sterben muss.

Katrin Ullmann

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