zum Hauptinhalt

Kultur: Und wer wäscht ab?

Wieso reden die Deutschen vom Guten, Wahren und Schönen, als ob die drei Geschwister seien? Obwohl gerade die Wahrheit so selten schön ist?

Wieso reden die Deutschen vom Guten, Wahren und Schönen, als ob die drei Geschwister seien? Obwohl gerade die Wahrheit so selten schön ist? Und obwohl gerade die guten Menschen keine schönen Menschen sind, wie ein Blick in den Spiegel uns allmorgendlich beweist? Am Sonntagmittag hatte der Journalist Matthias Greffrath den Kulturminister Michael Naumann sowie die beiden Theaterchefs Frank Castorf und Thomas Ostermeier zu einem Gespräch über dies immergrüne Thema ("Die Zukunft des Guten, Wahren, Schönen") in das Oxymoron gebeten.Das Oxymoron ist ein Jeunesse-Dorée-Kaffeehaus in den Hackeschen Höfen, so eine Bahnhofshalle mit Lüstern und Louis-Weißnicht-Tapete, typisch Neues Berlin.Als anfangs von der "Aufbruchstimmung" der Regierung Schröder die Rede war, ging bitteres Lachen durch den Saal, in welchem die Desillusionierten dicht an dicht saßen und an ihren Cappucinotassen Trauerarbeit verrichteten.Finanziell geht es ja gut, aber uns ist entsetzlich langweilig: Dieses Problem, das der moderne Intellektuelle mit dem Kaiser Nero und der Prinzessin auf der Erbse gemeinsam hat, wurde im folgenden in wohlgesetzen Worten umkreist.Wir haben Erlösungssehnsucht! Gebt uns Visionen!

Naumann sagt, daß er für Visionen nicht zuständig sei.Es müßte folglich einen Visionsminister geben, aber das - würde Naumann schmunzelnd sagen - ist nicht finanzierbar.Castorf sagt, er weiß auch nicht weiter, notfalls könnte man aus seiner Volksbühne eine Badeanstalt machen, er fände das gar nicht schlecht.Leider sind Badeanstalten zur Zeit nicht finanzierbar.Ostermeier sagt, daß es in unserer Gesellschaft immer noch benachteiligte Gruppen gibt, zum Beispiel die Schauspielerinnen, die an seinem Theater arbeiten.Wie er das meint, wurde nicht ganz klar.Ein Hauch von Streit wehte nur ein einziges Mal durch das Kaffeehaus, als nämlich Castorf die Entsendung von deutschen Kampfflugzeugen auf den Balkan geißelte.Da verwendete Michael Naumann ein schönes Alt-68er-Wort, er sprach vom "Sich einmischen"."Sich einmischen" heißt auf Schröder- und Naumanndeutsch, Tornados in den Kosovo zu entsenden.Für den Einsatz von Bodentruppen stellt die Sprache dieser Generation das Wort "Sich einbringen" zur Verfügung, im Falle von Kampfhandlungen wird wohl von "Ausdiskutieren" gesprochen werden.Und hinterher will wieder keiner den Abwasch machen.

Der Minister hat kürzlich in Berlin den "Rat für die Künste" besucht.Dort trat der Minister, wie Ostermeier berichtete, vor allem als ein Mensch auf, der "Hoffnungen dämpft".Da war der Minister ein bißchen gekränkt: Es habe sich um eine vertrauliche Sitzung gehandelt.Jetzt wissen wir also, was in den streng geheimen Sitzungen passiert, hinter den Türen des Kabinetts Schröder: Es werden unermüdlich Hoffnungen gedämpft.Vom vielen Dämpfen sind sie bereits zur Rosinengröße geschrumpft.

Weil Naumann da war, befanden sich auffällig viele Damen im Saal und kuckten sensibel; wenigstens dieser Personenkreis hat seine Vision gefunden.Er ist aber ziemlich klein, der Mann, ungefähr wie Peter Maffay.Das darf niemand schreiben, es ist ein Tabu.Tabus müssen gebrochen werden, anders sind Medien heutzutage leider nicht finanzierbar.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false