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Von links nach rechts: Karsten Konrad „High Five“, die Leinwand „Schaumwein-Leuchtkörper“ von Römer + Römer und Minor Alexander Bildserie „Check Out“,

© André Wunstorf

„Under Construction“ in der Galerie Schau Fenster: Das Neuland ist eine Baustelle

Farbe sifft, Popcorn fliegt: Die Galerie Schau Fenster präsentiert eine erstaunlich analoge Gruppenschau voller internationaler Größen über die Kunst und das Internet.

Plopp, die nächste Fuhre ist fertig. Und wieder spuckt die Maschine ihr Popcorn in den Ausstellungsraum, der sicher fünfmal so lang wie breit ist. Eine Art Aquarium mit beeindruckender Fensterfront. Das Berliner Künstlerduo Römer + Römer nimmt diese Situation zum Anlass für eine Gruppenschau. Es selbst stellt ein großes Gemälde auf der Vorlage einer Fotografie aus. Gleichzeitig ist es unter die Kuratoren gegangen und hat über 20 weitere Künstler eingeladen. Das Konzept der Schau basiert auf einem assoziativen Prozess, der vom „Schau Fenster“ – so der Name des Kreuzberger Projektraums – über die englische Übersetzung „window display“ auf das Internet gekommen ist. Und damit zur Frage, wie Künstler mit der digitalen Realität des Web 2.0 umgehen.

„Under Construction“ heißt das Ergebnis mit Arbeiten etwa von Sophie Calle, Thomas Rentmeister, Nezaket Ekici oder Michael Sailstorfer. Alles internationale Größen, aber keine Jünger der sogenannten Post-Internet Art, die sich komplett aus dem Netz speist und mithilfe ihrer Bilder eine seltsam körperlose Kunst generiert. Die von Römer + Römer versammelten Protagonisten vertreten anderes: Sie nutzen das Internet für Recherchen und zur Inspiration. Am Ende ihrer Arbeit stehen dann aber greifbare Ergebnisse – wie Sailstorfers „Popcornmaschine“, die sich aus einer Heißluftflamme und einem Betonmischer zusammenfügt.

Das Festhalten am Analogen

Das hat zum einen biografische Gründe. Viele der Künstler sind seit den neunziger Jahren unterwegs und gar nicht willens, sich komplett aus der analogen Ära zu verabschieden. Andere wie Emmanuel Bornstein, Jahrgang 1986, arbeiten bewusst anachronistisch: Der junge Franzose übermalt Porträts von Hand und ziemlich wild.

Bornstein verwendet Material aus dem Internet, der Nachschub an Fotografie ist schier unendlich. Ähnlich verfährt Alexandra Ranner auf ihrer Suche nach Bildern, die für sie innere Zustände symbolisieren. Oder Marcel van Eeden, der Motive abzeichnet und seine Einzelblätter zu Geschichten montiert, die nichts erklären, sondern die Handlung bloß immer weiter verrätseln. „Under Construction“ ist ein schöner Begriff für dieses künstlerische Montieren. Entlehnt haben ihn Römer + Römer jenen Websites, auf denen nichts zu sehen ist – außer einem kleinen Symbol für die Umbauarbeit. In der Schau hebt sich nun der Vorhang für die neuen Hybride: so wie die raumhohe Säule von Miriam Lenk, in der sich Pflanzen, Tiere und menschliche Körper grotesk umeinanderwinden. Als habe die Künstlerin die Monsterwesen aus diversen PC-Spielen stofflich gemacht.

Dass das verhältnismäßig kleine Projekt mit Mitteln des Hauptstadtkulturfonds gefördert wurde, erstaunt im ersten Moment. Doch dann versteht man: „Under Construction“ ist ein später Kommentar zur Berlin Biennale vom vergangenen Jahr. Eine Antwort auf all die Hochglanzprodukte und hybriden Installationen, die wie Abziehbilder einer globalen Ästhetik wirkten und von den Kuratoren als neue Kunstsprache gepriesen wurden. Im Schau Fenster dagegen lebt es, sifft Farbe, fliegt Popcorn. Die Welt ist auch 2017 eine Baustelle.

Schau Fenster, Lobeckstr. 30–35, bis 29. 1., Fr/Sa/So 15–20 Uhr.

Am 22.1 und 29.1 um 17 Uhr findet jeweils eine Führung mit Kerstin Godschalk statt.

Mehr Infos unter: https://schaufensterunderconstruction.wordpress.com/

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