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Kultur: Unendliches Mitleid

Den Spiegel rührt sie nicht an.Ihr Gesicht wäre ihr unerträglich.

Den Spiegel rührt sie nicht an.Ihr Gesicht wäre ihr unerträglich.Eine verwischte Lehmspur verdeckt die Fläche.Die Reste ihrer Vergangenheit kleben da auf dem Glas.Die kleine Spur eines großen Bildhauerlebens.Jetzt ist sie schon so lange hier.Weggesperrt, vergessen.In einem Irrenhaus weit weg von ihrer Traumstadt Paris, weit von ihrem Atelier.Camille Claudel kauert am Boden, summt Ovids Metamorphosen, klagt über ihre vergangene Liebe.Er war ihr Lehrer und Liebhaber.Immer stand sie im Schatten des berühmten Freundes Rodin.Erika Eller spielt Camille Claudel in der Uraufführung von Conny Frühaufs "Kein Frühling kein Herbst", eine Hommage an das Werk, das traurige Ende der berühmten Künstlerin.Barfuß tapst sie auf einem Lichtseil, sucht verzweifelt das versteckte Foto.Lichtwechsel.Sie starrt auf eine weiße Fläche, beschreibt mit leuchtenden Augen, was da für sie zu sehen ist: Szenen aus der Kindheit, heimliche Treffen mit ihrem Rodin.

Anna Zimmer hat ihr Regiedebüt gegeben, zusammen mit Günter Ries einen geheimnisvollen Raum geschaffen.Weiße Stoffbahnen hängen von der Decke, im Spiegel reflektiert kaltblaues oder orangenes Licht.Ohne Pathos trägt Erika Eller den Monolog vor, ein bißchen kitschig am Schluß: Minutenlanges Schweigen, leises Lächeln, dann geht sie über die Bühnentür in den Tod.Was bleibt, ist unendliches Mitleid mit dem Schicksal einer unterdrückten Begabten , die ihre letzten 30 Jahre in der geschlossenen Anstalt verbrachte.Eine traurige Geschichte - aber leider gehen die aneinandergereihten Szenen über den Hörspielcharakter nicht hinaus.

Schillertheater-Werkstatt: bis 2.9.täglich

CHRISTINA BERR

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