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© BGNES

Unesco: Anfahren im fünften Gang

Was die neue Unesco-Chefin Irina Bokowa erwartet. Nach den ungeschriebenen Gesetzen der Unesco wäre dieses Mal eigentlich ein Vertreter der arabischen Welt für den Chefposten dran gewesen.

Die Unesco soll den „Frieden im Geist der Menschen verankern“. So steht es in der Präambel ihrer Verfassung. Damit ist die dringendste Aufgabe der neuen Generalsekretärin, der Bulgarin Irina Bokowa, treffend benannt. Sie muss verhindern, dass der nervenaufreibende Abstimmungsmarathon, den sie am Dienstagabend gegen den als Favoriten gehandelten ägyptischen Kulturminister Faruk Hosni gewann, die Idee vom „Kampf der Kulturen“ in den Köpfen der Menschen in der arabischen Welt verankert.

Nach den ungeschriebenen Gesetzen der Unesco wäre dieses Mal ein Vertreter der arabischen Welt dran gewesen – die Europäer hatten bereits mehrfach diesen Posten besetzt. Da eine Kampagne französischer Intellektueller, die auf eine zweifelhafte Äußerung Hosnis im Hinblick auf Israel hingewiesen hatten, den Ägypter wahrscheinlich den Sieg gekostet hat, sind wieder einmal Verschwörungstheorien im Umlauf. Die Ergebnisse der insgesamt fünf Wahlgänge zeigen auch, dass Hosni, der in der Stichwahl mit 27 zu 31 Stimmen unterlag und in allen Wahlgängen zuvor mehr als 20 Stimmen gewinnen konnte, von vielen im Exekutivrat vertretenen Staaten sehr wohl als geeigneter Kandidat gesehen wurde. Wenig hilfreich sind daher Kommentare wie die des FDP-Abgeordneten Joachim Otto, der von einem „Sieg der Vernunft“ spricht.

Die 57-jährige Karrierediplomatin Bokowa, die zunächst als Außenseiterin galt, hatte dagegen nicht mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen. Die ehemalige Kommunistin hat dank der hohen Ämter ihres Vaters in der KP Bulgariens eine privilegierte Ausbildung genossen. Nach einem Elitegymnasium studierte sie in Moskau und begann ihre Diplomatenlaufbahn für das bulgarische Außenministerium bei der UNO. Am Runden Tisch verhandelte sie für die Kommunisten mit der Opposition und zieht als Abgeordnete für die sozialistische Partei in das Parlament ein. Seit 2005 ist sie Botschafterin ihres Landes in Frankreich und bei der Unesco.

Sie präsentierte sich mit einem Programm, das Kontinuität zu der Arbeit des scheidenden Amtsinhabers Koichiro Matsuura verspricht. Straffe Unternehmensführung, größere Präsenz der Unesco auch außerhalb von Paris, Durchforsten der unübersichtlichen Aufgaben der Unesco nach Prioritäten. Die polyglotte Bulgarin, die fünf Sprachen spricht, gilt als ehrgeizig und dynamisch. Sie könnte der zumeist im Verborgenen operierenden Unesco endlich ein Gesicht geben. Andrea Nüsse

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