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Gute Aussichten: Frank Briegmann, 46, Labelchef für Deutschland und Europa.

© Doris Spiekermann-Klaas

Universal-Chef Frank Briegmann und die Zukunft des Pop: „Wir lenken das Licht auf die Stars“

Vor der Echo-Preisverleihung: Universal-Chef Frank Briegmann über die deutsche Talente, die digitale Zukunft der Popbranche – und ein neues Album der Rolling Stones.

Herr Briegmann, herzlichen Glückwunsch!
Wozu?

Bei der Echo-Verleihung heute Abend wird Universal mit Preisen überhäuft werden. Mit über 40 Nominierungen geht Ihr Label als Topfavorit ins Rennen.
Ja, das stimmt. Und der Echo ist eine sehr wichtige Veranstaltung für unsere Branche. Er spiegelt uns, was wir als Labels in den letzten zwölf Monaten geleistet haben. Die Käufer stimmen mit ihrem Portemonnaie ab, was ja deutlich aussagekräftiger ist, als wenn sie einfach nur irgendwo ein Häkchen setzen müssen. Mich freuen diesmal besonders die Nominierungen im nationalen, also deutschen Segment.

Wie kommen die Nominierungen eigentlich zustande?
Beim Echo geht es anders als beim Grammy oder den Brit-Awards um Verkäufe. Das Kriterium ist: Wie viele Alben wurden über welchen Zeitraum des letzten Jahres verkauft. Zusätzlich, was aber weniger bedeutsam ist, geben alle Mitglieder des Bundesverbandes der Musikindustrie ihre Stimme ab. Das fließt zu einem kleinen Prozentsatz in die Bewertung ein.

Zweimal gab es beim Echo Ärger um die Deutschrockband Freiwild. 2013 wurde sie wegen Boykottdrohung anderer Bands ausgeladen, jetzt will sie selber nicht kommen, weil die Echo-Akademie sich nicht entschuldigt hat.
Die Entscheidung des für solche Fälle gegründeten unabhängigen Beirats kann ich nicht kommentieren, Entscheidungen mir nicht bekannter Musiker möchte ich nicht kommentieren. Generell wird der Echo das Fernbleiben dieser Band aber verkraften.

Sie erwähnten die deutschen Künstler. Wie viel machen die von Ihrem Umsatz aus?
Die Hälfte. Der Anteil der nationalen Künstler hat sich erfreulicherweise in den letzten zehn Jahren von knapp 40 Prozent auf etwas über 50 Prozent entwickelt.

Wie kommt das?
Die ganze Branche hat wirtschaftlich turbulente Jahre hinter sich, eine Phase des Umbruchs. Auch bei Universal Music hat sich vieles verändert, nur die Investition in neue Talente haben wir auch in der schwierigen Zeit nie aufgegeben, eher im Gegenteil. Dabei haben wir einen Schwerpunkt auf die Entwicklung nationaler Künstler gelegt. Das zahlt sich jetzt aus. Meine Kollegen in den anderen Ländern haben dasselbe getan.

Welche deutschen Bands meinen Sie zum Beispiel?
Tokio Hotel, Unheilig, Kraftklub und Ich + Ich kann man nennen. Auch Lena, Lana del Rey, Jan Delay oder Rosenstolz haben wir aufgebaut und erfolgreich gemacht.

Unheilig hatte schon, bevor er zu Universal kam, eine große Fanbasis.
Ja, aber er hat vorher alles selber gemacht und rund 30 000 Alben verkauft. Bei uns waren es dann beim ersten Album gleich 1,7 Millionen.

Wie macht man so was?
Indem wir dafür sorgen, dass mehr Licht auf einen Künstler fällt. Wir haben große Abteilungen für Promotion, Marketing und Vertrieb. Sie arbeiten daran, dass Menschen, die sonst nie in Berührung mit einem Künstler wie Unheilig gekommen wären, seinen Song „Geboren um zu leben“ hören.

Ähnlich war es ja auch bei Helene Fischer, die letztes Jahr diverse Chartrekorde aufgestellt hat und dreimal für den Echo nominiert ist.
Helene Fischer kam vor zwei Jahren im Zuge der EMI-Übernahme zu uns. Wir haben uns mit ihr und ihrem Produzenten zusammengesetzt und Ideen entwickelt. Es war toll zu sehen, wie offen sie war, Neues auszuprobieren. Das Ergebnis: „Farbenspiel“ hat sich in vier Monaten eine Million Mal verkauft und stand bis Anfang dieser Woche noch auf Platz eins der Charts. Mit „Atemlos“ hat sie jetzt zum ersten Mal auch einen Singlehit. Die clubtaugliche Version, die wir extra produziert haben, hat ihr eine neue Zielgruppe erschlossen.

Sie haben die schwere Phase der Musikindustrie angesprochen. Die scheint ja langsam vorüber zu sein. Wie beurteilen Sie die Situation Ihrer Branche?
Gut. Der Weltmarkt ist 2013 zwar noch mal leicht zurückgegangen, was vor allem an Japan lag. Doch in Deutschland und Europa hatten wir erstmals wieder ein leichtes Wachstum. In Deutschland etwa ein Prozent. Die Märkte sind derzeit in verschiedenen Stadien der Transformation hin zum Digitalen. Deutschland ist am wenigsten transformiert, hier machen wir noch immer 75 Prozent des Umsatzes mit physischen Produkten. Dann gibt es die USA und Großbritannien, bei denen sich die physischen und digitalen Anteile etwa die Waage halten. Die skandinavischen Märkte sind hingegen fast vollständig transformiert, dort dominiert das digitale Geschäft. Diese Transformation und die damit einhergehenden verschiedenen Angebotsmodelle tragen dazu bei, dass es der Branche wieder besser geht.

Wie kommt es, dass die Deutschen sich mit dem Streaming noch so schwer tun?
Man muss beachten, dass damit hierzulande erst vor zwei Jahren begonnen wurde. In Schweden gab es die illegale Plattform Pirate Bay, daneben war der Markt quasi nicht mehr existent. Dann wurde Pirate Bay verboten, der Streamingdienst Spotify gegründet, und die schwedische Regierung investierte viel Geld in digitale Infrastruktur. Das war vor vielen Jahren. Bei uns wurde Streaming durch rechtliche Probleme verzögert, weil zunächst eine Übereinkunft zwischen der Gema und den Streaminganbietern gefunden werden musste. Trotzdem läuft das Streaminggeschäft schon gut. Allein in der letzten Woche des Jahres 2013 wurden in Deutschland 175 Millionen Songs gestreamt. Das ist zirka doppelt so viel wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

"Wenn mehr gestreamt wird, bekommen die Bands auch mehr Geld"

Frank Briegmann, Universal-Chef.
Frank Briegmann, Universal-Chef.

©  Doris Spiekermann-Klaas

Musiker wie David Byrne oder Thom Yorke lehnen Streamingdienste ab, Bands wie Metallica geben ihre Musik dafür nicht frei, weil ihnen die Erlöse zu gering sind. Können Sie das nachvollziehen?
Natürlich kommt beim Streaming erst mal weniger Geld bei den Bands an als bei einem einmaligen Kaufvorgang. Es kommt aber immer wieder etwas an, jedes Mal, wenn ein Song oder ein Album gestreamt wird. Im Zeitverlauf gleichen sich die Umsätze an, und langfristig gesehen kann mit Streaming sogar mehr verdient werden. Zudem ist der Wert eines Streamingkunden aus Umsatzgesichtspunkten höher als der eines Downloadkunden. Die zweite Komponente ist die Menge der Kunden. Die Streamingnutzung wird sich erhöhen und damit auch die Einkünfte der Bands.

Trotzdem sind vielen Musikern Beträge wie 0,0034 Cent pro Songstream zu wenig. Die wollen nicht so lange warten.
Unsere Aufgabe ist es, den kritischen Künstlern das komplexe Modell genau zu erklären und Transparenz zu schaffen. Dann werden sie zu einer positiveren Bewertung kommen. Die Anbieter schütten 70 Prozent ihrer Einkünfte an die Rechteinhaber aus. Der Betrag pro Stream variiert je nach Höhe der Aboeinnahmen, Werbeeinnahmen, dem Verhältnis von kostenlosen und zahlenden Kunden und der Nutzungsintensität. Hinzu kommt wie gesagt die Zeitraumbetrachtung.

In der Tat nicht so leicht nachvollziehbar.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Tatsache, dass fast 40 Prozent der Menschen, die einen Streamingdienst nutzen, zwischen zehn und 19 Jahre alt sind, also Leute, die in letzter Zeit nicht mehr viel gekauft haben. Die sind jetzt wieder bei einem legalen Angebot. Die Fans haben entschieden, dass sie auch Streamingmodelle wollen. Wenn etwas bei Spotify, Napster und Co. nicht zu finden ist, werden eben wieder andere Wege gesucht. Das Thema Piraterie ist ja nicht weg.

Wie zeitgemäß ist angesichts des disparater werdenden Hörverhaltens das stets unverändert gebliebene Format Album? Es wurde ja schon einige Male totgesagt.
... und Totgesagte leben bekanntlich länger. Fakt ist: Die physischen Verkäufe gingen in den vergangenen Jahren leicht zurück, die digitalen legten hingegen deutlich zu. Aber das Albumformat ist immer noch gefragt. Interessanterweise werden in Deutschland deutlich mehr Alben nationaler als internationaler Künstler gekauft. Die Single hingegen ist internationaler.

Bei der Übernahme des Labels EMI 2012 gab es kartellrechtliche Einwände, die dazu führten, dass sie einige Sublabel wie Parlaphone an Warner abtreten mussten. Dort erscheint demnächst etwa Damon Albarns Soloalbum. Ärgert Sie das?
Ja, ich finde es schade. Dort waren tolle Künstler, mit denen wir auch gern gearbeitet hätten. Aber man kann nicht alles haben. Wir sind sehr froh, dass EMI und ihre Künstler bei uns an Bord sind. Sie sind eine echte Bereicherung für Universal.

Sie haben unter anderem die Beatles-Rechte und die Rolling Stones dazubekommen. Die Stones kommen ja im Sommer nach Berlin. Gibt es da vielleicht auch bald mal wieder ein neues Album?
Richtig, wir haben für dieses Jahr eine Veröffentlichung geplant. Wir verraten heute noch nicht, was es wird. Nur so viel schon mal: Es wird kein Best-of!

Sind Sie eigentlich noch nervös, wenn Sie mit Mick Jagger am Konferenztisch sitzen?
Nervös nicht, aber aufregend finde ich es schon. Was jemand wie Jagger künstlerisch geleistet hat, ist absolut beeindruckend. Da finde ich es natürlich spannend, mich mit so jemandem zusammenzusetzen und zu überlegen, was man als Nächstes macht.

Anders als Ihr Vorgänger Tim Renner, der neue Berliner Kulturstaatssekretär, oder der einstige Sony-BMG-Chef und Casting-Show-Juror Thomas Stein, sind Sie außerhalb der Branche kaum bekannt. Warum so zurückhaltend?
Ich bin hier ziemlich gut aufgehoben und habe mich früh dafür entschieden, dass ich solche Auftritte nicht machen möchte. Die Bühne gehört den Künstlern und nicht den Labelchefs.

Das Gespräch führten Nadine Lange und Christian Schröder.

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