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Kultur: Unruhe auf den billigen Plätzen

In Berlin können Arbeitslose ab Mai für drei Euro ins Theater gehen. Gratistickets lehnt Kultursenator Flierl ab

Claus Peymann war schneller. Berlins Kultursenator will ab 1.Mai das DreiEuro-Ticket einführen – am Berliner Ensemble gibt es Karten für sensationell günstige zwei Euro schon lange. Die Stehplätze im zweiten Rang werden zu diesem Spottpreis abgegeben. Peymann orientiert sich hier an den Wiener Bühnen: Im Burgtheater kann man Stehplätze für 1,50 Euro ergattern, in der dortigen Staatsoper gibt es Rangplätze für 2 Euro respektive für 3,50 Euro im Parkett.

Einen Unterschied gibt es allerdings: Während die Stehplätze vor allem für Theaterfans gedacht sind, richtet sich das Berliner Drei-Euro-Ticket an Arbeitslose, also an Menschen, die sonst vielleicht gar nicht ins Theater gehen können. Diejenigen, die sich ohnehin ausgegrenzt fühlen, will Thomas Flierl mit seiner Billig-Billett-Aktion in die Bühnenhäuser locken: jene rund 400000 Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe, die derzeit in der Hauptstadt leben.

Wäre es angesichts der Tatsache, dass die Einnahmen aus Kartenverkäufen bei subventionierten Theatern den kleinsten Teil des Budgets ausmachen, nicht sinnvoller, die Arbeitslosen gleich umsonst in die Häuser zu lassen? „Meine Grundthese lautet: Nicht kostenlos, aber erschwinglich“, erklärt Thomas Flierl im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Wir wollen nichts verschenken, die Aktion soll zumindest haushaltsneutral sein. Unter Berücksichtigung der Kosten für Tantiemen und Ticket-Buchungssysteme ergab sich im Gespräch mit den Theatern auf diese Weise der Preis von drei Euro.“

Heikler Punkt bei der guten Sache: Die neuen Ermäßigungsberechtigten sollen sich nicht als Almosen-Empfänger fühlen. Ein solcher Verdacht allerdings dürfte manchen Jobsuchenden beschleichen, wenn er liest, unter welchen Bedingungen er beispielsweise beim Staatsballett und an der Staatsoper Unter den Linden sein Ticket bekommt. „Inhaber einer Sozialkarte können für alle Vorstellungen, die montags und dienstags stattfinden, an der Abendkasse frühestens 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn Restkarten aus einem begrenzten Kontingent erwerben. Als Nachweis muss die Sozialkarte und ein Lichtbildausweis an der Kasse und beim Einlass vorgelegt werden,“ heißt es.

Dennoch hält Flierl seine Idee für besser als die der Opposition: Die Berliner CDU hatte ein Modell erwogen, bei dem wohlhabende Theaterbesucher zwei Tickets erwerben und eines davon für Arbeitslose spenden. „Ich will kein auf Dankbarkeit gegründetes Modell. Der Aspekt der Eigeninitiative soll dabei sein: Wer flexibler mit seiner Zeit umgehen kann, soll gegen den Publikumsstrom schwimmen und die besucherschwächeren Tage nutzen. Hingehen, sich informieren, einen Orientierungssinn dafür ausbilden, welche Veranstaltungen nicht ausgelastet sind: Was für Schüler und Studenten Normalität ist, ist auch für Arbeitslose zumutbar“, findet der Senator.

Flierl will aber nicht nur Hartz-IV- Empfänger ermutigen, aktiv am öffentlichen Leben teilzunehmen. Er will auch einen Denkprozess bei denen auslösen, die Kulturangebote ganz selbstverständlich nutzen: „Auch in der im Vergleich zu anderen Städten preiswerten Berliner Kulturlandschaft ist der Theaterbesuch für viele schlicht unerschwinglich. Bei Leistungsempfängern von 345 Euro im Monat kommt abzüglich der Fixkosten nur ein Tagesbudget von 1,40 Euro heraus.“

Die Drei-Euro-Tickets gibt es ab dem 1. Mai, dem Tag der Arbeit, an der Abendkasse bei folgenden Bühnen: Staatsoper, Deutsche Oper, Komische Oper, Staatsballett, Maxim Gorki Theater, Deutsches Theater, Volksbühne, Caroussel Theater, Schaubühne, Hebbel am Ufer, Grips-Theater, Friedrichstadtpalast, Berliner Philharmoniker (nur Kammermusik) und Konzerthaus Berlin. Peymanns Berliner Ensemble tanzt auch dabei aus der Reihe. Da das Theater immer sehr gut ausgelastet ist, wird am Schiffbauerdamm schon im Vorverkauf ein Kontingent an Drei-Euro-Tickets zur Verfügung gestellt. Flierl findet das toll: „Es ist außerordentlich begrüßenswert, wenn die erfolgreichen Häuser ihrerseits weitergehende Initiativen entwickeln.“

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