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Kultur: Unter der Haut

Mit Thomas Florschütz ein letztes Mal im Palast

Kurz vor dem endgültigen Verschwinden hat Thomas Florschütz den skelettierten Palast der Republik noch einmal fotografiert. Und ganz gleich, wie oft die Spiegelfassade oder die rostbraunen Stahlstützen bereits von Künstlern zum Thema gemacht wurden: Für Florschütz hätte es kein besseres Motiv geben können.

Der in Zwickau Geborene hat in den vergangenen Jahren immer wieder Ikonen der Architekturgeschichte fotografiert – und zwar so, dass ein Übergang zwischen außen und innen sichtbar wird. Seine Fotografien zeigen Gardinen vor einer Tür im Capodimonte Museum in Neapel oder Treppenhauswände in den serienmäßig erbauten Schulen von Oskar Niemeyer in Rio. Auch Orchideen holte Florschütz vor die Kamera oder Körperteile als menschliche Architekturen. Ob Gebäude, Blumen oder Haut, der Künstler zeigt sie als zarte Oberflächen, als Membranen, die Leben einschließen und schützen. Das funktioniert auch beim Palast der Republik. Doch nicht die Dramatik der sozialistischen Geschichte hallt in den Bildern wider, die jetzt von der Galerie Volker Diehl ausgestellt werden. Florschütz konzentriert sich ganz auf die Struktur und die Materialität: Er fotografiert Oberflächen.

Für seine Aufnahmen ging er ins Innere des Palastes. Einige Bilder leben von der Geometrie der mit Stahlbändern durchsetzten Fensterfronten. Durch das beschlagene Glas nimmt man schemenhaft die Gebäude der Umgebung wahr. In manchen Bildern führt der Blick durch geöffnete Fenster. Dann sind Nikolaikirche oder Dom scharf zu sehen, während sie im nächsten Fensterquadranten schon wieder aquarellartig verschwimmen.

Wie immer bei Florschütz rücken komponierte Bilder an die Stelle vorgefundener Zustände. Das ist wohltuend bei einem Bauwerk wie dem ehemaligen Volkspalast, dem die Vergangenheit so sehr im Gebälk steckt. Die meisten Werke, die 2006 in der Ausstellung „Palast der Republik“ im Hamburger Bahnhof zu sehen waren, nutzten die Symbolkraft des Gebäudes: Die grobkörnigen Filmstills von Tacita Dean zeigten, wie sich die umliegenden Gebäude in der abgenutzten Palastfassade spiegeln, während das Miniaturmodell „Klub der Republik“ von Nina Fischer & Maroan el Sani Zwischennutzung und DDR-Freizeitvergnügen zusammenbrachte. Im Gegensatz dazu holt Florschütz etwas viel Grundsätzlicheres ans Licht: die Dramatik und Sinnlichkeit von Rost und Beton. Birgit Rieger

Galerie Volker Diehl, Lindenstr. 35; bis 25. 1., Dienstag bis Samstag von 11-18 Uhr.

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