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Kultur: Unter die Haut

Schwache Filme enthalten oft starke Momente, so wie es in gelungenen Filmen vereinzelt schwache Momente gibt. Bei "Tattoo" ist es fast unmöglich zu sagen, ob das Gelungene oder das Misslungene überwiegt.

Schwache Filme enthalten oft starke Momente, so wie es in gelungenen Filmen vereinzelt schwache Momente gibt. Bei "Tattoo" ist es fast unmöglich zu sagen, ob das Gelungene oder das Misslungene überwiegt. In regelmäßigen Abständen tauchen Fehler auf, die es in einer derartig ambitionierten Produktion nicht geben dürfte. Doch zugleich beeindruckt die Konsequenz, mit der der Regisseur Robert Schwentke eine bedrückende Stimmung aufrechterhält. "Tattoo" ist ein Feel-Bad-Thriller in der Tradition von "Das Schweigen der Lämmer" und "Seven". Dauernd regnet es. Sogar die luxuriösesten Innenräume wirken ungemütlich. Die Kriminalbeamten sind keine strahlenden Helden, sondern Gezeichnete. Die Auflösung des Falls macht niemanden glücklich.

Zu Beginn stolpert eine nackte junge Frau, der auf dem Rücken große Teile der Haut fehlen, die Straße hinab. An einer Kreuzung wird sie von einem Bus erfasst, der daraufhin explodiert. Das ist zwar unlogisch, aber dem Regisseur sind äußere Effekte so wichtig, dass er die Logik gern vergisst. In einem absolut humorlosen und ironiefreien Thriller darf so etwas nicht vorkommen. Anders als Stefan Ruzowitzky, der in "Anatomie" seiner Lust am Makabren und Unseriösen freien Lauf ließ, will Schwentke große Kunst produzieren. Doch wie soll man einen Film ernst nehmen, in dem ein unerfahrener Jüngling gleich nach seiner Vereidigung als Polizeibeamter Serienmörder jagen darf? In dem U-Bahn-Sitze von einer Einstellung zur nächsten Farbe und Form wechseln? Und in dem ein perverser Kunstliebhaber, der tätowierte menschliche Haut sammelt, die Türen zu seiner "Galerie" offen lässt?

Wer bereit ist, sich ganz der Atmosphäre hinzugeben, der kommt bei "Tattoo" auf seine Kosten. Noch nie hat Berlin so fremd ausgesehen: Schwentke und seinem Kameramann Jan Fehse ("alaska.de") gelingen verblüffende Bilder, die die kaputte Seele der Protagonisten widerspiegeln. Hervorragende Schauspieler wie Christian Redl als verbitterter Hauptkomissar und August Diehl als junger Assistent sorgen dafür, dass man den Film wenigstens vorübergehend ernst nehmen kann. Wenn da nur nicht diese logischen Fehler wären...

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