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Kultur: Unwillkürlich schön

Aija Zarina galt schon kurz nach Absolvierung ihres Malereistudiums an der Rigaer Kunsthochschule Anfang der 80er Jahre als eine der Eigensinnigsten im ohnehin renitenten Baltikum.Ihre Unabhängigkeit hat sie sich ungeachtet wechselnder Konjunkturen von Politik, Kommerz und kopflastigem Konzeptualismus in der lettischen Kunst bis heute bewahrt.

Aija Zarina galt schon kurz nach Absolvierung ihres Malereistudiums an der Rigaer Kunsthochschule Anfang der 80er Jahre als eine der Eigensinnigsten im ohnehin renitenten Baltikum.Ihre Unabhängigkeit hat sie sich ungeachtet wechselnder Konjunkturen von Politik, Kommerz und kopflastigem Konzeptualismus in der lettischen Kunst bis heute bewahrt.

In Berlin, wo sie die Räume der Giedre Bartelt Galerie gestaltet hat, präsentiert sich die Rigaerin jetzt zum ersten Mal.Mit immer neuen Materialien und Medien dreht sich ihr Schaffen um Metamorphosen des Kreises.Dieser Kreis, als Farbfleck oder als Linie, ist wie von Kinderhand gezeichnet.Dadurch wirkt er organisch, zart und geradezu unwillkürlich schön.Er ähnelt einer schwimmenden Zelle, deren Konturen schier unendliche Entsprechungen haben, und die sich durch Teilung vermehren und amöbenhaft ihre Form wandeln kann.

Durch ihre Klarheit und Übersichtlichkeit sind Zarinas Arbeiten sehr einprägsam und oszillieren zwischen Zeichen- und Bildhaftem.Seit einigen Jahren beschäftigt sie sich mit dem Unendlichkeitszeichen, das man sich als horizontale "8", aber auch als in sich gedrehten Kreis vorstellen kann.Als aufgerichtete Form nimmt es auf einer der gezeigten Ölzeichnungen unverkennbar Madonnengestalt an.Mit echtem Gold trug es die Künstlerin 1996 auf die abgebröckelten Wände einer Rigaer Altstadtwohnung auf.Etwas später bannte sie seine mit zwei Kerzen in der Luft beschriebenen Strahlenbögen auf Fotografien.

Das Strahlen des Zeichens im Augenblick seiner Ausführung läßt an einen magischen Akt denken.Auch der Kreis, aus dem alles im künstlerischen Universum der Lettin entsteht, erinnert an den alten Götterglauben der Balten.Spät, gewaltsam und lange nur oberflächlich christianisiert, haben sie ihn bis in unser Jahrhundert hinein nicht ganz abgelegt.Der noch spürbare Polytheismus und das Empfinden für eine Verwandtschaft der Seelen von Mensch und Naturdingen in außereuropäischen Religionen, insbesondere im Buddhismus, üben seit langem auf Letten, Litauer und Esten eine große Anziehungskraft aus.Wenn sich Balten nach Tibet aufmachen, spielt neben politischen Sympathien für ein besetztes Land vor allem das Spirituelle eine Rolle.Man verspricht sich nicht, wie mancher Westler, eine Flucht aus der eigenen Kultur, sondern eine Rückkehr zu ihren noch nicht ganz in Vergessenheit geratenen Wurzeln.

Giedre Bartelt Galerie, Wielandstraße 31, bis 31.Dezember; Dienstag bis Freitag 11-19 Uhr, vom 24.-26.Dezember geschlossen.

CLAUDIA SINNIG

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