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Urheberrechtsdebatte (4): Guido Möbius: Friede den Freaks

Die Fans zu kriminalisieren, schadet der Kultur, sagt der Musiker Guido Möbius. Ein Beitrag zur Urheberrechtsdebatte.

Zwei Autoren erläutern ihre Position zur aktuellen Urheberrechtsdebatte am Beispiel der Popmusik. Lesen Sie hier die Gegenposition von Musikindustrie-Verbandschef Dieter Gorny.

Das Internet hat die Arbeit von Komponisten und Musikern grundlegend verändert. Seit der flächendeckenden Installation von Breitbandverbindungen und sozialen Netzwerken können sie direkt mit ihren Fans in Kontakt treten und neue hinzugewinnen. Auch ohne Plattenfirma, die beim Online-Management nicht zwingend gebraucht wird. Bands und Solokünstler, die nie einen Ton auf CD oder LP veröffentlich haben, spielen mitunter ausverkaufte Tourneen. Inzwischen gehört es für viele Musiker zum Alltag, sich und ihre Musik per Internet selbst zu vermarkten.

Aber auch wer Plattenfirma, Konzertagentur und Musikverlag im Rücken hat, ist angewiesen auf Online-Präsenz. Und Präsenz im Internet heißt für Musikschaffende, dass etwa ihre Videos und Konzertmitschnitte ohne Einschränkung zugänglich sind. Denn nur so werden etwa Konzertveranstalter auf sie aufmerksam. Ebenso muss es möglich sein, Pressestimmen auf der eigenen Website einzubinden, ohne von Zeitungsverlagen abgemahnt zu werden. Eine Band muss ihre eigene Musik auf den Websites ihrer Wahl zum Streaming oder Download anbieten können, ohne dass sie genau die Verwertungsgesellschaft zur Kasse bittet, der sie selbst angehört.

Solange die Gema ihre starren Regularien nicht reformiert und transparenter macht, sollten Komponisten es sich gut überlegen, welche Rechte sie der Verwertungsgesellschaft übertragen. Dass mit Unterzeichnung des Gema-Berechtigungsvertrags das Verwertungsrecht im Onlinebereich ausgenommen werden kann, wissen viele Komponisten nicht.

Es ist genau die dieser Tage so inbrünstig gegeißelte „Umsonstkultur“ im Netz, die das Selbst-Management von Künstlern erst möglich gemacht hat. Wer heutzutage Hörer gewinnen will, braucht die ungehinderte Verbreitung von Musik, Videos und Texten im Internet. Filesharer, die ihren Freunden begeistert den neuen Song ihrer Lieblingsband schicken, sind Multiplikatoren und Musikfreaks. Also genau solche Leute, die noch Konzerte besuchen und dort oder im Plattenladen Tonträger kaufen. Ihr Treiben für illegal zu erklären bedeutet, den Künstlern das Leben schwer zu machen. Die Beschränkung des freien Austauschs von Musik, Film und Wort im Internet verunsichert die Nutzer, verhindert Kommunikation und schadet dem kulturellen Leben.

Ein Urheberrechtsgesetz, das von Korb zu Korb das Recht auf die Privatkopie immer weiter einschränkt, kann nicht die Antwort sein auf die Realitäten der digitalen Welt. Der Versuch, durch Überwachung und Verfolgung dem normalen Internetverhalten eines Großteils seiner Nutzer, mithin eines großen Teils der Bevölkerung Einhalt zu gebieten, ist ein Kampf gegen Windmühlen. Die Kriminalisierung einer ganzen Generation von Internetnutzern ist realitätsfern und hat so absurde Folgen wie Abmahnungswellen, die inzwischen auch die sozialen Netzwerke bedrohen.

Die Tonträgerindustrie, deren Untergang seit Einführung der Leerkassette bereits mehrfach prognostiziert wurde, darf aufatmen. Ihre Umsätze durch digitale Nutzung ihres Repertoires haben sich konsolidiert, wie jüngst auf einer Pressekonferenz des Bundesverbands der Musikindustrie zu hören war. Die Tonträgerkonzerne behaupten sich also in einem Lebensbereich, der eigentlich gut auf sie verzichten kann: dem Internet.

Die Einführung einer pauschalen Abgabe für die Nutzung von Kultur im Netz bei entsprechender Anpassung des Urheberrechtsgesetzes sollte weiter diskutiert werden. Nicht als Ausgleich für vermeintlich illegalen Musikkonsum, dem man mit Überwachung und Sanktionen nicht mehr Herr werden kann. Sondern als Wertschätzung und Unterstützung eines Kulturbetriebs, der ein freies Internet braucht.

Guido Möbius betreibt den Musikverlag autopilot publishing, arbeitet als freier PR-Agent für verschiedene Plattenfirmen und Festivals und ist selbst Musiker. Sein neues Album „Spirituals“ erscheint Anfang Juli bei Karaoke Kalk.

Guido Möbius

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