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Kultur: Urheberrechtsreform: Final Cut

Die Szenarien erinnern an einen Katastrophenfilm. "Chaos" prophezeit Bernd Burgemeister, der Vorsitzende des Bundesverbandes deutscher Fernsehproduzenten.

Die Szenarien erinnern an einen Katastrophenfilm. "Chaos" prophezeit Bernd Burgemeister, der Vorsitzende des Bundesverbandes deutscher Fernsehproduzenten. Stefan Arndt, Geschäftsführer der Berliner X-Filme, sieht eine massenhafte Flucht ins Ausland voraus. Und Georgia Tornow, Generalsekretärin von "film 20", einer unlängst gegründeten Interessengemeinschaft der Produzenten, meint: "Die Filmproduzenten wären ja bekloppt, wenn sie neue Rahmenbedingungen akzeptieren würden, die ihnen nur Nachteile bringen."

Auslöser der Weltuntergangsstimmung ist die geplante Änderung des Urheberrechts. Die Filmproduzenten und ihre Verbände laufen Sturm gegen den Regierungsentwurf, als würde die Bundesrats-Drucksache 404/01 die deutsche Filmproduktion ruinieren. Als würde die rechtliche Aufwertung der Urheber nur auf Kosten der Filmproduzenten geschehen. Allein: Welche Auswirkungen hat der neue Urheberrechtsentwurf überhaupt auf den deutschen Film?

Setzen sich die Vorstellungen des Gesetzgebers im Herbst durch, ändert sich für die Produzenten tatsächlich einiges. Vor allem: Sie müssten mehr zahlen. So fällt das Recht auf die Wiederverfilmung eines Drehbuchs beim Fernsehen schon nach fünf Jahren, im Film nach zehn Jahren an den Urheber zurück. In diesem Zeitraum aber sei die Verwertungskette eines Films noch nicht abgeschlossen, sagt Georgia Tornow. In der Regel lägen da die Nutzungsrechte noch beim Sender. Um eine Fortsetzung zu drehen, müsste der Produzent nach Ablauf der Frist mit dem Urheber einen neuen Vertrag aushandeln. Oder der Autor verkauft seinen Filmstoff gleich an einen anderen Sender: "Kommissar Rex" parallel auf zwei Kanälen.

Besonders schwer im Magen liegt den Produzenten die Einschränkung eines Rechts, das sie traditionell für sich in Anspruch nehmen: den "Final Cut", den letzten Schliff am fertigen Film. Das geltende Gesetz schreibt fest, dass die Urheber, also Drehbuchautor und Regisseur, erst dann gegen den Produzenten einschreiten können, wenn er ihr Werk auf "gröbliche" Weise entstellt, wenn er etwa ihre künstlerische Intention missachtet. Durch diese - vielfältig auslegbare - Einschränkung habe der Produzent, so klagen die Autoren, allzu freie Hand, an der Endfassung des Films herumzuschnippeln. Ohne "ungröbliche" Veränderungen mit den Künstlern abzusprechen.

Das will die Regierung künftig verhindern. Nach ihrem Entwurf soll der Produzent nur noch dann Änderungen an dem Film vornehmen dürfen, wenn er vorher "Art und Ausmaß genau bezeichnet". Ein Unding, wie Christiane von Wahlert von der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) meint: "Ein Film entsteht erst am Schneidetisch. Wenn man jede Änderung vorher mit den Urhebern besprechen soll, dann muss man alle Beteiligten in den Schneideraum holen." Der Produzent gebe schließlich das Geld für den Film, also stünden ihm auch entscheidende Rechte zu - einschließlich des "Final Cut".

Doch damit nicht genug: Künftig können die Urheber die Vermarktung eines Films gänzlich blockieren. Will zum Beispiel der Produzent eine Szene herausschneiden, die ihm zu brutal erscheint, um den Film besser zu verkaufen, könnten Urheber ihr Veto einlegen. Dass das passiert, hält Jürgen Kasten, Geschäftsführer des Verbandes deutscher Drehbuchautoren (VDD), allerdings für unwahrscheinlich: "Die Autoren sind doch keine Deppen, die ihr eigenes Werk blockieren wollen. Tatsächlich müssen die Produzenten aber genauer auf die Intentionen der Urheber eingehen. Der ästhetischen Qualität der Filme kommt das nur zugute."

Die Aufregung der Produzenten kann Kasten kaum verstehen. Er hält den Regierungsentwurf für einen fairen Kompromiss. Dass die Kreativen zudem durch den Paragraphen 32, Kernpunkt des Gesetzentwurfs, erstmals einen Anspruch auf "angemessene Vergütung" für ihre Leistung bekommen, sei ohnehin längst überfällig. Zwar werden beim Kinofilm weitaus höhere Honorare gezahlt als in anderen Medien. Doch das gilt nur für eine Minderheit von Autoren und Regisseuren. Die meisten, sagt Kasten, arbeiten eher im Dumping-Bereich, mit "buy out"-Verträgen genannten einmaligen Zahlungen. Damit treten sie ihre gesamten Rechte an den Produzenten ab - und zwar für die nächsten 70 Jahre.

Als "revolutionär" bezeichnet der Autoren-Sprecher daher die Idee der Gesetzgeber, die Interessenverbände der Urheber und der Produzenten gemeinsam die "angemessene Vergütung" aushandeln zu lassen. Der VDD hat auch schon eine Tarif-Vorstellung: Dreieinhalb bis vier Prozent der gesamten Produktionskosten eines Kinofilms sollten für einen Autor schon herausspringen. Bei sechs Millionen Mark, die ein deutscher Kinofilm im Durchschnitt kostet, ergibt das ein Honorar von rund 200 000 Mark - für ein Buch, um dessen Auftrag der Autor sich vielleicht ein Jahr lang bemühen musste und an dem er ein weiteres Jahr schrieb.

Bei TV-Filmen soll der Vergütungs-Satz etwas niedriger liegen - aber auch dafür sieht Bernd Burgemeister, Sprecher der Fernsehproduzenten, keine Verhandlungsbasis: Die Autoren-Honorare für ein rund 2,5 Millionen Mark teures "Täglich-Brot-Fernsehspiel" liegen nach seinen Angaben derzeit bei knapp 50 000 Mark - etwa ein Drittel unterhalb der Vorstellung des VDD. Zündstoff, an dem sich beide Seiten noch reiben werden.

Eines aber wurmt Burgemeister und seine Kollegen ganz besonders: Auch die Kameraleute, die Cutter, die Schauspieler, sogar die Bühnenbildner sollen künftig als Urheber des gemeinsam hervorgebrachten Films gelten - nur die Produzenten nicht. Eine "Unverschämtheit" nennt dies Stefan Arndt; schließlich entwickle er als Produzent ein Drehbuch in Kooperation mit den Autoren. "Wenn jeder Dahergelaufene nun Beteiligungsansprüche an dem Film bekommt - wie soll ich dann mit meinen Verwertern verhandeln?" Zur Zeit setzt der Verwerter voraus, dass mit dem Kauf des Films alle Ansprüche an ihn abgegolten sind.

Heute geht der Regierungsentwurf, das "Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern", in den Bundesrat, im Herbst wird der Bundestag entscheiden. Bis dahin dürften vor allem die Produzenten noch kräftig Druck machen. Ein Passus ist auf Betreiben der Filmhersteller schon gestrichen worden: dass die Übertragung der Urheberrechte nur für die Verwertung in bisher bekannten Medien gelten sollen - für die Produzenten ein Signal für weiteren Bewegungsspielraum, zumal der Bundeskanzler die Förderung des deutschen Films erst kürzlich zu seiner Herzensangelegenheit erklärt hat. Andernfalls drohe das Chaos. Oder die Flucht ins Ausland. Oder das Ende ausländischer Investitionen in den deutschen Filmmarkt. So steht die Debatte vor ihrem cliff hanger. Fortsetzung folgt.

Nils Meyer

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